Wenn es jemals einen Bedarf gab, den Ausdruck annus horribilis in der Unternehmensgeschichte zu veranschaulichen, wären das Jahr 2024 und das Unternehmen Boeing ein perfektes Beispiel. Und das Jahr ist noch nicht einmal vorbei.

In den letzten sieben Tagen hatte Boeing mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen. Die Federal Aviation Administration (FAA) erließ am 8. Juli eine Lufttüchtigkeitsanweisung, die von den Fluggesellschaften, die die Boeing 737 Next Generation und 737 MAX verwenden, verlangt, das Sauerstoffgeneratorsystem innerhalb von fünf Monaten aufgrund möglicher Gurtversagen zu inspizieren.

Diese Anweisung folgte auf mehrere Berichte über das Verschieben von Passagiersauerstoffgeneratoren aus ihrer Position — ein Problem, das verhindern könnte, dass Passagiere in Notfällen Sauerstoff erhalten.

Zusätzlich stimmte Boeing zu, sich des Betrugsvorwurfs schuldig zu bekennen, der sich daraus ergibt, dass wesentliche Designelemente den Regulierungsbehörden, die für die Zertifizierung des 737 MAX Flugzeugs für den kommerziellen Einsatz verantwortlich sind, nicht offengelegt wurden.

Das US-Justizministerium enthüllte, dass Boeing am 7. Juli einem Vergleich zugestimmt hatte, nachdem die Regierung festgestellt hatte, dass Boeing gegen eine Vereinbarung verstoßen hatte, die es vor strafrechtlicher Verfolgung schützte.

Historischer Vergleich
Der Vergleich ist das Ergebnis eines dreijährigen Überprüfungsverfahrens, das 2021 begann. Boeing wurde angewiesen, Änderungen an seinen Betriebs- und Produktionspraktiken vorzunehmen, die zu den Abstürzen von Lion Air 2018 und Ethiopian Airlines 2019 mit 737 MAX Flugzeugen führten, bei denen 346 Menschen ums Leben kamen.

Es wird geschätzt, dass Boeing aufgrund dieser Abstürze 60 Milliarden USD an Umsatz verloren hat und seine Rentabilität seit 2019 um über 32 Milliarden USD gesunken ist. Die Schulden des Unternehmens sind auf fast 50 Milliarden USD gestiegen. Neben den finanziellen Auswirkungen haben die Abstürze auch einen emotionalen Tribut von den Familien der Opfer gefordert.

Wenn der Bundesrichter den Vergleich genehmigt und er in Kraft tritt, wird er zu zusätzlichen Strafen und Kosten für das Unternehmen führen. Boeing wird mit zusätzlichen 243,6 Millionen USD bestraft und muss mindestens 455 Millionen USD in Compliance- und Sicherheitsprogramme investieren.

Anwälte, die einige der Familien der Opfer vertreten, fordern die Ablehnung dieses Vergleichs des Justizministeriums und erklären, dass:

„Der einzige Weg, um bedeutende Änderungen bei Boeing herbeizuführen, wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die sich auf die finanzielle Situation des Unternehmens auswirken, was größere Geldstrafen und härtere Konsequenzen bedeuten würde.“

Wenn diese Herausforderung erfolgreich ist und der Vergleich abgelehnt wird, wird dies zu einem öffentlichen Prozess führen, der erfordert, dass Boeing-Mitarbeiter über ihre Rollen bei der Irreführung der FAA-Regulierungsbehörden bezüglich des Flugsteuerungssystems, das mit den Abstürzen in Verbindung gebracht wurde, aussagen. Die finanziellen Auswirkungen für Boeing in einem solchen Prozess werden auf über 25 Milliarden USD geschätzt.

Finanzielle und emotionale Schläge
Diese Reihe von Ereignissen wird Boeing weiter belasten. Politische und regulatorische Diskussionen betonen die Frustration mit Boeing-Managern, die weiterhin um Entschuldigung bitten und Änderungen versprechen.

Whistleblower haben eine Reihe von Fehlern in Boeings Montagepraktiken aufgezeigt, die die Lösung potenzieller Sicherheitsprobleme verhinderten, während die Flugzeuge noch in der Produktionslinie waren.

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Diese Mängel zeigen klar, dass sie die sichere und zuverlässige Operation des Endprodukts beeinträchtigen könnten. Die Schuldigen für diese Mängel wurden sporadisch als Boeings Kultur, Führungsstil und Managementmaßnahmen identifiziert.

Es wurde viel über den Wechsel in Boeings Führung von einem ingenieurtechnischen und qualitätsorientierten Fokus zu einem auf Wirtschaftlichkeit und finanzielle Leistung orientierten berichtet.

Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens
Kann Boeing seine aktuellen Herausforderungen überwinden und seinen Ruf als erfolgreiches Unternehmen wiederherstellen? Eines, auf das sich seine Mitarbeiter, Kunden und die Öffentlichkeit bei der Produktion von kommerziellen Flugzeugen verlassen können, die sicher, komfortabel und nachhaltig sind?

Um dies zu erreichen, muss die Welt wieder Vertrauen in Boeing haben, ein Vertrauen, das durch Jahrzehnte der Produktion von Flugzeugen aufgebaut wurde, die von den Kunden wegen ihrer Qualität und ingenieurtechnischen Gestaltung hoch geschätzt wurden.

Während wir auf die Bekanntgabe des neuen CEO warten, muss sich Boeings Vorstand seinem Führungsspiegel stellen und sich fragen, ob sie ihre anvertrauten Aufsichtspflichten erfüllt haben.

Es sollte nicht überraschen, dass viele von Boeings Direktoren lange in ihren Rollen sind und die Verantwortung für die Fehltritte des Managements in der jüngsten Vergangenheit tragen.

Jüngste rechtliche Herausforderungen, die darauf abzielen, die Haftung von Vorstandsmitgliedern in Fällen von Unternehmensmisswirtschaft zu begrenzen, sind in den USA gescheitert, und die Gerichte haben die Notwendigkeit betont, dass Direktoren sich der Unternehmensmissbräuche bewusst sind und Maßnahmen ergreifen, um solche Fälle zu korrigieren.

Globale Luftfahrtsicherheit in Gefahr
All dies wirft eine wichtige Frage auf: Gibt es ein Risiko für kanadische Fluggesellschaften und Mitglieder von Boeings kanadischer Lieferkette aufgrund dieser Serie von Problemen?

Wenn der Vergleich in Kraft tritt, wird Boeing als verurteilte Organisation identifiziert. Als solche unterliegt sie dem US-Recht, das verurteilten Verteidigungsauftragnehmern verbietet, zukünftige Verteidigungsaufträge zu gewinnen.

Angesichts der Natur von Boeings Präsenz in der kommerziellen Luftfahrt und Verteidigung scheint es unwahrscheinlich, dass diese Verurteilung Boeings Beziehungen zu Lieferanten und Kunden behindern wird.

Die Welt braucht Boeing, um zu seinen glorreichen Wurzeln in den Bereichen Ingenieurwesen, Sicherheit und Qualität zurückzukehren. Die globale Luftfahrtsicherheit hängt von der Zuverlässigkeit großer Flugzeughersteller ab. Die Zeit läuft ab und Boeing kann keine Versprechungen machen. Es sind Taten und Ergebnisse erforderlich — und zwar schnell.

Original:
Ivan Gradek
Fakultätsdozent und akademischer Programmkoordinator, Lieferkette und Luftfahrtmanagement, McGill Universität