Die allgegenwärtige Bedrohung durch Mikroplastik, winzige Partikel, die jeden Winkel unserer Umwelt und sogar unsere Körper durchdringen, stellt eine der zentralen Umweltfragen unserer Zeit dar. Wissenschaftler und Umweltexperten stehen ständig vor der Herausforderung vorauszusagen, wo sich diese Partikel, die kleiner als fünf Millimeter sind, am stärksten ansammeln werden. Die genaue Identifizierung sogenannter „Hotspots“ ist entscheidend, um Sanierungsbemühungen zu lenken und ihre schädlichen Auswirkungen zu mildern. Jüngste wissenschaftliche Forschungen bringen einen revolutionären Einblick in dieses Problem und enthüllen, dass ein bisher vernachlässigter biologischer Faktor eine entscheidende Rolle für das Schicksal dieser Partikel in aquatischen Ökosystemen spielt.
Das geheime Leben der Flussbetten: Die Rolle des Biofilms
Am Grund von Flüssen, Bächen und an den Meeresküsten sind die Oberflächen von Sand und Sedimenten nicht leblos. Sie sind mit einer dünnen, klebrigen Schicht bedeckt, die als Biofilm bekannt ist. Diese biologische Schicht wird von Gemeinschaften von Mikroorganismen wie Bakterien, Algen und Pilzen gebildet. Sie scheiden Substanzen ab, die als extrazelluläre polymere Substanzen (EPS) bekannt sind und eine klebrige Matrix bilden, die die Sedimentpartikel zusammenhält. Obwohl lange angenommen wurde, dass eine solch klebrige Oberfläche das Einfangen von Mikroplastik fördern könnte, zeigt eine neue Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) genau das Gegenteil. Es scheint, dass der Biofilm als eine Art „Schutzschicht“ wirkt, die die Ablagerung von Mikroplastik reduziert.
Die Studie ergab, dass unter ansonsten gleichen Bedingungen mit Biofilm angereicherte Sedimente deutlich weniger Mikroplastikpartikel zurückhalten. Der Grund liegt in der physikalischen Wechselwirkung zwischen den Partikeln, dem Wasser und dem Substrat selbst. Der Biofilm füllt die mikroskopischen Räume zwischen den Sandkörnern aus und macht die Oberfläche glatter und weniger „haftend“ für ankommende Partikel. Wenn ein Mikroplastikpartikel auf einer solchen Oberfläche landet, kann es nicht tiefer in das Sediment eindringen, sondern bleibt an der obersten Schicht stärker exponiert. Aus diesem Grund kann der Wasserstrom es viel leichter anheben und weiter flussabwärts transportieren. Im Gegensatz dazu wirken kahle Sandbetten wie eine Falle, die es den Partikeln ermöglicht, sich tiefer zwischen den Sandkörnern abzusetzen, wo sie vor Wasserströmungen geschützt sind und schwerer wieder in Bewegung gesetzt werden können.
Ein innovatives Experiment, das die Prozesse beleuchtet
Um zu diesen Schlussfolgerungen zu gelangen, konzipierten die Forscher ein präzises Laborexperiment. Sie verwendeten einen speziellen Strömungsbehälter, eine Art Miniatur-Flusssimulator, dessen Boden mit feinem Sand ausgekleidet war. In einigen Experimenten wurden auch vertikale Kunststoffrohre in den Sand gesetzt, um das Vorhandensein von Wurzeln zu simulieren, beispielsweise in Mangroven-Ökosystemen. Der entscheidende Teil der Forschung war der Vergleich von zwei Arten von Substraten: eines, das aus reinem Sand bestand, und ein anderes, bei dem der Sand mit einem biologischen Material gemischt war, das den natürlichen Biofilm und seine extrazellulären polymeren Substanzen originalgetreu nachahmt.
Während des Experiments wurde drei Stunden lang mit winzigen Plastikpartikeln vermischtes Wasser durch den Behälter gepumpt. Danach wurde die Oberfläche des Flussbettes unter ultraviolettem (UV) Licht fotografiert. Diese Technik ermöglichte es den Plastikpartikeln zu fluoreszieren, also zu leuchten, was den Wissenschaftlern die Möglichkeit gab, ihre Konzentration auf verschiedenen Oberflächen präzise und quantitativ zu messen. Die Ergebnisse waren eindeutig und enthüllten zwei Schlüsselfänomene, die die Ablagerung von Mikroplastik beeinflussen.
Unerwartete Verbündete im Kampf gegen die Verschmutzung
Das erste beobachtete Phänomen stand im Zusammenhang mit Turbulenzen. Unmittelbar um die simulierten Wurzeln herum verhinderte eine verstärkte Wasserverwirbelung die Ablagerung von Partikeln und schuf eine Art „Schutzzone“. Der zweite, noch bedeutendere Befund, bezog sich jedoch auf den Einfluss des Biofilms selbst. Mit zunehmendem Anteil des simulierten Biofilms im Sediment nahm die Menge des angesammelten Plastiks ab.
Das wissenschaftliche Team kam zu dem Schluss, dass die klebrigen Polymere aus dem Biofilm die Poren und Unebenheiten zwischen den Sandkörnern füllen und so weniger Platz zum „Fangen“ von Mikropartikeln lassen. Da die Partikel an der Oberfläche exponierter waren und nicht im Sediment versteckt, konnten die durch den Wasserfluss erzeugten Kräfte sie leichter wieder anheben und wegtransportieren. Das bedeutet, dass ein Fluss mit einem sandigen oder kiesigen Boden ohne nennenswerte biologische Aktivität wahrscheinlich einen viel größeren Anteil an Mikroplastik zurückhalten wird als ein Fluss, dessen Boden schlammig und mit einer reichen Biofilmschicht bedeckt ist. Kahle Sandflächen werden so zu potenziellen Hotspots für die Ansammlung von Mikroplastik, während biologisch aktive Bereiche eine größere Selbstreinigungskapazität haben.
Praktische Anwendungen: Wo nach Mikroplastik suchen?
Diese Forschung liefert ein unschätzbares „Werkzeug“ für Ökologen und Umweltschutzbehörden. Sie gibt klare Richtlinien, worauf sich Überwachungs- und Sanierungsbemühungen konzentrieren sollten. Anstelle einer zufälligen Probenahme ist es nun möglich, mit größerer Sicherheit die Lebensräume zu identifizieren, die anfälliger für die Ansammlung dieser gefährlichen Partikel sind. Zum Beispiel werden in komplexen Ökosystemen wie Mangrovenwäldern die äußeren, sandigen Ränder, die stärkeren Strömungen ausgesetzt sind, wahrscheinlich Orte mit hohen Konzentrationen an Mikroplastik sein. Andererseits könnten die inneren Zonen, wo der Boden schlammig und reich an Biofilm ist, deutlich weniger Plastikmüll enthalten.
Ein solcher Ansatz ermöglicht eine effizientere Nutzung von Ressourcen und die Ausrichtung von Schutzmaßnahmen dorthin, wo sie am dringendsten benötigt werden. Die Identifizierung von sandigen äußeren Regionen als potenzielle Hotspots macht sie zu Prioritätszonen für Überwachung und Schutz. Darüber hinaus öffnen diese Ergebnisse die Tür zu neuen Strategien zur Minderung der Verschmutzung. Es wird vorgeschlagen, dass Maßnahmen zur Wiederherstellung der Umwelt, wie die Wiederaufforstung von Küstengebieten mit Pflanzen, die das Wachstum von Biofilm fördern, aktiv dazu beitragen könnten, die Ansammlung von Mikroplastik in aquatischen Systemen zu reduzieren. Sie unterstreicht die mächtige Rolle, die biologische und physikalische Faktoren bei der Gestaltung von Partikeltransportprozessen spielen, und bietet naturbasierte Lösungen für ein vom Menschen verursachtes Problem.
Quelle: Massachusetts Institute of Technology
Greška: Koordinate nisu pronađene za mjesto:
Erstellungszeitpunkt: 06 Juni, 2025