Ingenieurdesign unter Unsicherheit ist kein blinder Fleck mehr: Eine neue, am MIT entwickelte Methodik integriert Unsicherheit systematisch in jeden Schritt des Co-Designs komplexer technischer Systeme – von unbemannten Luftfahrzeugen und autonomen Fahrzeugen bis hin zum Flugverkehr und regionalen Verkehrsnetzen. Anstatt sich auf idealisierte Komponentenspezifikationen oder oberflächliche „Bester/Schlechtester Fall“-Schätzungen zu verlassen, modelliert der Ansatz ganze Verteilungen von Ergebnissen und deren gegenseitige Abhängigkeiten und stellt klare Trade-off-Karten dar, die Leistung, Kosten, Masse und Missionsanforderungen verknüpfen.
Warum das für autonome Systeme und digitalisierte Mobilität wichtig ist
Ob es sich um eine Lieferdrohne handelt, die bei Wind und Regen fliegen muss, einen Roboter, der unvollkommene Sensoren mit variablen Algorithmen kombiniert, oder ein Infrastrukturnetz, in dem sich mehrere Betreiber dieselbe Strecke teilen – das Gesamtverhalten des Systems entsteht an der Schnittstelle vieler unsicherer Teile. In der Praxis arbeitet keine Komponente „exakt nach Datenblatt“, und die Umgebung führt zusätzliche Variabilität ein. Traditionelle Planungs- und Optimierungsmethoden unterschätzen daher oft das Risiko und überschätzen die Robustheit des Systems. Die neue Methode zerlegt explizit alle bekannten und unbekannten Variationsquellen – von Fertigungstoleranzen und Batteriealterung bis hin zu meteorologischen Bedingungen und variabler Last – und fügt sie zu einer einzigen, kohärenten Darstellung von Risiken und Nutzen zusammen.
Von Kästen und Pfeilen zur kompositionellen Mathematik
Der Ausgangspunkt ist das Co-Design: Ein komplexes Problem wird in Module zerlegt, „Kästen“, die Sensoren, Aktuatorbaugruppen, Energiequellen, Steuerungsalgorithmen oder Missionsanforderungen repräsentieren. Die Module werden dann wieder „zusammengesetzt“, sodass das globale Optimum (oder eine Menge Pareto-optimaler Lösungen) in angemessener Zeit gefunden werden kann. Die Neuheit bei dieser Variante ist die Einführung eines Unsicherheitsmodells in jedes Modul. Anstelle einer einzigen deterministischen Zahl enthält jeder Kasten Intervalle, Wahrscheinlichkeitsverteilungen oder parametrische Modelle, die im Laufe der Zeit aus Daten gelernt werden können. Die Grundlage ist die kompositionelle Mathematik, die es ermöglicht, dass die Verknüpfungsregeln und monotonen Beziehungen zwischen Zielen (z. B. größere Reichweite ⇢ mehr Batteriemasse ⇢ höhere Kosten) erhalten bleiben, unabhängig davon, wie die Module permutiert werden.
Praktische Konsequenz: Der Designer ist nicht gezwungen, zwischen einer vereinfachten Sensitivitätsanalyse und einem teuren Monte-Carlo-„Brute-Forcing“ des Systems zu wählen. Stattdessen erhält er einen Formalismus, der „weiß“, wie sich Unsicherheit durch das Netzwerk von Modulen ausbreitet, wie sich Kompromisse ändern, wenn eine Batterie oder eine Wahrnehmungsbaugruppe ausgetauscht wird, und wie Entscheidungen unter einem angestrebten Risikoniveau optimiert werden.
Was der Ingenieur tatsächlich bekommt: risikobewusste Trade-off-Karten
Anstelle eines einzelnen Punktes oder zweier Extreme sind die Ausgaben Trade-off-Karten: erwartete Leistungswerte, Quantile (z. B. 5 % und 95 %), Konturen der Machbarkeitswahrscheinlichkeit und Schwellenwerte, ab denen das System in „riskante Gewässer“ gerät. Solche Karten ermöglichen Entscheidungen im Einklang mit dem Anwendungskontext. In der Luftfahrt, wo Sicherheit das oberste Kriterium ist, werden höhere Kosten akzeptiert, wenn sie die Ausfallwahrscheinlichkeit drastisch reduzieren. In der Logistik wird, sofern die Risiken quantifiziert sind, möglicherweise eine billigere Lösung mit einem kontrollierten Risiko kurzer Ausfallzeiten unter extremen Bedingungen gewählt.
Fallstudie: Wahl der Wahrnehmung und Batterien für ein UAV bei wechselhaftem Wetter
In einem Demonstrationsbeispiel für ein unbemanntes Luftfahrzeug (UAV) verbindet das modulare Co-Design Wahrnehmungs-Subsysteme – Stereovision, LiDAR und Radar – mit Energiekonfigurationen, wobei die Mission Einschränkungen auferlegt (Reichweite, Nutzlast, Flugdauer, Masse, Budget). Für die Sensoren wird keine „feste Genauigkeit“ angenommen, sondern es werden Verteilungen der Detektionsfähigkeit in Abhängigkeit von Nebel, Regen und schwachem Licht eingegeben. Für die Batterien werden anstelle einer einzigen Kapazitätsangabe Verteilungen der Kapazität und des Innenwiderstands, die Degradation über Zyklen und die Temperaturabhängigkeit berücksichtigt. Das Ergebnis sind Diagramme, die zeigen, wie sich die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Missionsabschlusses mit der Flugzeit, den meteorologischen Bedingungen und der Wahl von Sensoren und Stromversorgung ändert.
Ein solcher Ansatz liefert auch unerwartete Einblicke. In Szenarien mit geringeren Nutzlasten, bei denen der Schwerpunkt auf niedrigen Gesamtbetriebskosten (TCO) liegt, führen Technologien wie NiMH aufgrund des Anschaffungspreises und der einfacheren Handhabung manchmal zu niedrigeren erwarteten Lebenszykluskosten, trotz geringerer Energiedichte. Mit zunehmender Nutzlast übernehmen typischerweise Li-Polymer (LiPo) oder Li-Ionen-Akkus die Führung aufgrund ihres besseren Wh/kg-Verhältnisses und der Fähigkeit zu höheren Stromimpulsen. Das Framework erklärt dabei keinen „absoluten Gewinner“, sondern zeigt für jede Nutzlast und Umgebungsbedingung, wie hoch die Machbarkeitswahrscheinlichkeit ist und welche erwarteten Kosten und Reichweiten damit verbunden sind.
Beispiel für eine präzise Entscheidung: Für eine Nutzlast von etwa 1,75 kg können die Trade-off-Karten zeigen, dass eine bestimmte Batteriekonfiguration eine merkliche Wahrscheinlichkeit der Nicht-Machbarkeit aufgrund von Massen- und Entladestrombeschränkungen aufweist. Anstatt eines „Ja/Nein“ erhält der Manager ein klares, numerisches Maß für das Risiko und kann den Wechsel zu einem anderen chemischen System oder eine Neudefinition der Mission (kürzere Reichweite, ein anderes Redundanzniveau) abwägen.
Von einzelnen Komponenten zum „System von Systemen“
Die Wiederverwendbarkeit der Modelle macht das Framework für Teams geeignet, in denen jeder für seinen eigenen „Kasten“ verantwortlich ist: Ein Team wartet die Wahrnehmung, ein anderes das Energiesystem, ein drittes die Planung und Steuerung. Da die Mathematik kompositionell ist, können Module geändert werden, ohne die globalen Garantien für Monotonie und Einschränkungen zu verletzen. Dadurch wird die Kopplung zwischen den Teams reduziert – eine Schlüsseleigenschaft, wenn sich das Projekt auf größere Systeme wie Luftverkehrsnetze oder integrierte Verkehrsökosysteme ausweitet, in denen mehrere Akteure (z. B. Eisenbahnunternehmen) die Infrastruktur teilen und teilweise widersprüchliche Ziele haben.
Wie es in der Praxis aussieht: operative Schritte
- Modellierung von Modulen mit Unsicherheit. Für jeden Block werden Nutzen- und Kostenfunktionen sowie die Art der Unsicherheit (Intervall, Verteilung, parametrisches Modell) definiert. Wenn experimentelle Daten vorhanden sind, werden die Parameter gelernt; andernfalls geht man von informierten Grenzen und konservativen Annahmen aus.
- Komposition und Einschränkungen. Die Blöcke werden zu einem Co-Design-Netzwerk verbunden, das die Missionsanforderungen (maximale Masse, Budget, angestrebte Zuverlässigkeitsniveaus der Detektion, Verbrauchsgrenzen) berücksichtigt.
- Trade-off-Analyse. Erwartungswerte, Quantile und Machbarkeitswahrscheinlichkeiten werden berechnet, zusammen mit der Abbildung der Sensitivität gegenüber Änderungen der Annahmen (z. B. kälteres Wetter, stärkerer Wind, anderes Aufgabenprofil).
- Iterationen und „Was-wäre-wenn“. Da das System modular ist, ist es möglich, schnell einen Block auszutauschen (LiPo → NiMH, Stereo → Radar) und die Risiken und den Nutzen neu zu bewerten, ohne die gesamte Struktur zu zerstören.
Was diese Methode im Vergleich zu klassischen Werkzeugen ändert
- Mehr als Randszenarien: Anstatt sich auf den „besten/schlechtesten Fall“ zu konzentrieren, wird das gesamte Spektrum der Ergebnisse berücksichtigt.
- Verbindung mit Lernen: Parametrische Modelle ermöglichen inkrementelle Aktualisierungen, sobald neue Daten aus dem Feld eintreffen, sodass sich das Design im Laufe der Zeit „intelligent“ anpasst.
- Skalierbarkeit durch Komposition: Modularität und monotone Beziehungen verhindern eine Zustandsexplosion bei der Erweiterung des Systems.
- Transparente Kompromisse: Entscheidungsträger erhalten zahlenmäßig fundierte „Heat-Maps“ von Risiken und Erträgen anstelle von Schwarz-Weiß-Empfehlungen.
Anwendungen: von der Drohnenindustrie bis zu Eisenbahnnetzen
In der Automobil- und Luftfahrtindustrie hilft die formale Modellierung von Unsicherheiten, riskante Kombinationen früher zu erkennen und Argumente für teurere, aber robustere Lösungen zu entwickeln, wo Sicherheit und Reputationsrisiko keinen Preis haben. In der auf den Menschen ausgerichteten Robotik – zum Beispiel bei der „letzten Meile“ – hilft derselbe Rahmen, die Gesamtbetriebskosten (TCO) und die Zuverlässigkeit unter Bedingungen variabler Nachfrage und Wetters auszugleichen. Im öffentlichen Verkehr und bei der Eisenbahn eröffnet sich die Möglichkeit eines koordinierten Co-Designs von Fahrzeugflotten und Fahrplänen innerhalb einer gemeinsamen Infrastruktur, mit expliziter Quantifizierung der Risiken von Verspätungen und Überlastungen.
Was ist mit den Batterien: ein realistischer Vergleich aus Ingenieursperspektive
Eine typische Ingenieursdiskussion über Drohnenbatterien driftet oft zu „Datenblatt“-Eigenschaften (spezifische Energie, maximaler Strom, Masse) ab. Aber bei echten Missionen, besonders bei Kälte und hohen Lasten, „atmen“ die Leistungen. Li-Polymer (LiPo) bietet eine höhere Energiedichte und bessere Entladeeigenschaften – ein Plus für schnelle Manöver und größere Lasten – erfordert aber Disziplin bei Schutz, Lagerung und Überwachung des Ladezustands. NiMH ist massiver und hat eine geringere Energiedichte, ist aber oft einfacher zu handhaben, widerstandsfähiger gegen niedrige Temperaturen und anfangs billiger. Wenn auf Systemebene die Gesamtbetriebskosten optimiert werden und dabei die Anzahl der Zyklen und die Lastverteilungen berücksichtigt werden, kann es vorkommen, dass NiMH im Segment kleinerer Lasten und konservativer Flugprofile niedrigere erwartete TCO aufweist, während LiPo in Szenarien dominiert, in denen maximale Reichweite oder Leistung Priorität haben.
Metriken, deren Optimierung sinnvoll ist
Anstelle einer einzigen „heiligen“ Metrik ermöglicht diese Methodik die gleichzeitige Optimierung mehrerer Ziele unter Unsicherheit:
- Erwartete Reichweite und Flugdauer mit Quantilen (z. B. 5 % und 95 %), um Reserven und „schlechte Tage“ zu planen.
- Gesamtbetriebskosten (TCO) über die Lebensdauer: Anschaffungspreis, Austausch, Service, Degradation und die Folgen von Ausfällen.
- Machbarkeitswahrscheinlichkeit – wie hoch ist die Chance, dass eine Kombination aus Sensoren, Batterie und gegebener Nutzlast die Massen- und Verbrauchsbeschränkungen überhaupt erfüllt.
- Robustheit gegenüber Umgebungsbedingungen – wie die Leistung mit Wind, Regen, Nebel und Temperatur variiert.
Wie man „Trade-off-Karten“ liest
Stellen wir uns ein Ziel vor: eine Last von 1,75 kg zu tragen. Anstelle von „JA/NEIN“ zeigt die Karte Bereiche mit geringer Wahrscheinlichkeit der Nicht-Machbarkeit, Übergangszonen und Bereiche mit hoher Ausfallwahrscheinlichkeit. Eine solche Darstellung ermöglicht es, kleine Risiken bewusst einzugehen, wo der Nutzen groß ist (deutlich größere Autonomie, geringere Masse), oder Konfigurationen zu vermeiden, die empfindlich auf kleinste Änderungen von Temperatur und Wind reagieren. Dadurch wird die Ingenieursentscheidung von einer Vermutung zu einem abgewogenen, transparenten Handel mit Risiko.
Die Rolle der Verifikation und Sicherheitsgarantien
Für Bereiche, in denen Sicherheit Vorrang hat – Straßenautonomie, Luftfahrt, Robotik in der Nähe von Menschen – verbindet sich der kompositionelle Ansatz natürlich mit formaler Verifikation und „Contract-based“ Design. Jedes Modul kann Garantien (z. B. maximaler Aktorstrom, minimale Detektionsgenauigkeit) und Annahmen über die Umgebung deklarieren; das Framework prüft dann, ob diese Garantien auf Systemebene unter den gegebenen Unsicherheitsverteilungen kompatibel sind. So werden überprüfbare Sicherheitsargumente aufgebaut, die sowohl für Regulierungsbehörden als auch für die Industrie verständlich sind.
Software und Zugänglichkeit für Teams
Obwohl die theoretische Grundlage abstrakt ist, ist die Idee, Bibliotheken anzubieten, die die mathematischen Details verbergen. Durch „Adapter“ für Sensoren, Batterien und Steuerungsalgorithmen können Teams schnell Architekturen zusammenstellen, Module austauschen und neue Trade-off-Karten erhalten, ohne Code neu schreiben zu müssen. Dies ist besonders nützlich, wenn parallel an mehreren Komponenten gearbeitet wird – das Framework garantiert, dass Module geändert werden können, ohne globale Einschränkungen zu verletzen, und dass Risikomaße konsistent durch das System übertragen werden.
Weiterreichende Implikationen: auf dem Weg zu Standards für lernfähige Systeme
Da immer häufiger lernbasierte Module (LEC – learning-enabled components) eingebaut werden, ist es notwendig, auch deren Unsicherheiten formal zu fassen. Das kompositionelle Co-Design mit Unsicherheit ermöglicht es, dass Risikometriken und Garantien vom Modul zum System „propagiert“ werden. So entsteht eine gemeinsame Sprache zur Definition von Schwellenwerten für akzeptables Risiko und transparente Prozesse zum Nachweis der Sicherheit.
Was kommt als Nächstes
Die weitere Entwicklung geht in zwei Richtungen. Die erste ist die Recheneffizienz: die Beschleunigung der Lösung mehrdimensionaler Kompromisse und die Verbesserung der Skalierung auf große Probleme. Die zweite sind mehrere Akteure: Szenarien, in denen mehrere Unternehmen interoperable Subsysteme mit unterschiedlichen Zielen und Budgets co-designen – zum Beispiel regionale Verkehrsökosysteme, in denen Eisenbahnunternehmen dieselbe Infrastruktur teilen, aber unterschiedliche Leistungsindikatoren optimieren.
Hinweis zum Datum: Dieser Text wurde am 03. Oktober 2025 erstellt und ist mit den neuesten öffentlich verfügbaren Informationen zum Co-Design unter Unsicherheit und Demonstrationen an unbemannten Luftfahrzeugen abgestimmt.
Erstellungszeitpunkt: 2 Stunden zuvor