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NASA und Boeing entwickeln lange, schmale Flügel für effizienteres, ruhigeres und klimafreundlicheres Fliegen

Erfahre, wie NASA und Boeing in fortgeschrittenen Tests lange, schmale Flügel mit aktiver Kontrolle entwickeln, um Treibstoffverbrauch und Lärm zu senken, Turbulenzen zu mildern, den Passagierkomfort zu erhöhen und den Luftverkehr ambitionierten Klimazielen und langfristig nachhaltiger globaler Mobilität näherzubringen.

NASA und Boeing entwickeln lange, schmale Flügel für effizienteres, ruhigeres und klimafreundlicheres Fliegen
Photo by: NASA/ nasa.gov

NASA und Boeing testen lange, schmale Flügel, die Passagierflugzeuge verändern könnten


Passagierflugzeuge der Zukunft könnten wesentlich anders aussehen als die heutigen: Statt klassischer, relativ kurzer und breiter Flügel würden sie viel längere und dünnere Flügel erhalten, die weniger Treibstoff verbrauchen und den Passagieren einen ruhigeren Flug bieten. Hinter diesem Wandel steht ein gemeinsames Forschungsprogramm der US-Weltraumbehörde NASA und des Flugzeugherstellers Boeing, das im Dezember 2025 eine wichtige Testreihe im Windkanal im NASA-Forschungszentrum Langley in Virginia abgeschlossen hat.


Das Programm trägt den Namen Integrated Adaptive Wing Technology Maturation (IAWTM) und sein Zweck ist es, Technologien zu entwickeln, die den Einsatz von Flügeln mit einem viel größeren Streckungsverhältnis – also längeren und schmaleren Flügeln – ermöglichen, ohne die Sicherheit und die strukturelle Belastbarkeit des Flugzeugs zu gefährden. NASA und Boeing wollen damit den Weg für eine neue Generation kommerzieller Flugzeuge ebnen, die gleichzeitig sparsamer, leiser und komfortabler für die Passagiere wären.


Warum sich die Luftfahrtindustrie langen, schmalen Flügeln zuwendet


Die Luftfahrtindustrie sucht seit Jahren nach Wegen, den Treibstoffverbrauch und die Emissionen zu senken, nicht nur wegen steigender Treibstoffpreise, sondern auch wegen immer strengerer Klima- und Umweltziele. Ein Großteil der aerodynamischen Verluste bei Passagierflugzeugen entsteht durch induzierten Widerstand – Turbulenzen an den Flügelspitzen, die bei der Erzeugung von Auftrieb entstehen. Ein längerer und dünnerer Flügel, beziehungsweise ein Flügel mit größerem Streckungsverhältnis, verringert diesen induzierten Widerstand und erhöht das Verhältnis von Auftrieb zu Widerstand, was sich direkt in geringerem Treibstoffverbrauch niederschlägt.


Der Trend ist bereits auf dem Markt sichtbar: Moderne Großraumflugzeuge haben ein deutlich größeres Flügelstreckungsverhältnis als ältere Generationen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gibt an, dass beispielsweise der Airbus A300 aus den 1970er Jahren eine Streckung von etwa 7,7 hatte, während der Airbus A350, der 2013 vorgestellt wurde, eine Streckung von etwa 9,3 aufweist – eine wesentlich größere, schlankere Flügelgeometrie mithilfe von Verbundwerkstoffen und fortschrittlichen aerodynamischen Lösungen.


Forschungen zeigen, dass eine solche Geometrie messbare Einsparungen bringen kann. Eine aktuelle Studie am Beispiel des Langstrecken-Passagierflugzeugs Boeing 777-300ER zeigte, dass eine Erhöhung des Flügelstreckungsverhältnisses um das etwa 1,5-fache den induzierten Widerstand um ungefähr 23 Prozent und den gesamten Flügelwiderstand um etwa 13 Prozent senken kann – was eine erhebliche Treibstoffeinsparung auf Ebene des gesamten Flugzeugs darstellt.


Ein Flügel, der sich immer mehr biegt: Aeroelastische Risiken und „Flattern“


Jedoch bringen längere und dünnere Flügel eine ernsthafte technische Herausforderung mit sich. Da sich die Spannweite vergrößert und die Struktur gleichzeitig versucht, so leicht wie möglich zu bleiben, wird der Flügel flexibler. Im Flug bedeutet das stärkere Biegungen und Verdrehungen, besonders bei Windböen, Höhenänderungen oder scharfen Manövern. In extremen Fällen kann ein gefährliches Phänomen auftreten, das als Flattern (Flutter) bekannt ist – eine aeroelastische Instabilität, bei der sich die Luftströmung über dem Flügel mit den Eigenfrequenzen der Konstruktionsvibration „synchronisiert“, sodass sich die Schwingung verstärkt und exponentiell wachsen kann.


Im schlimmsten Szenario kann unkontrolliertes Flattern zu strukturellen Schäden oder sogar zum Flügelbruch führen. Deshalb ist das Ziel des NASA- und Boeing-Programms nicht nur, die Grenzen solcher Instabilitäten zu „bestimmen“, sondern aktive Flügelsteuerungssysteme zu entwickeln, die das Flattern verhindern würden, bevor es auftritt. Dies wird durch eine Kombination aus Sensoren in der Konstruktion, Computermodellen und beweglichen Steuerflächen am Flügel erreicht, die in Echtzeit auf Belastungen und Verformungen reagieren.


Das Programm IAWTM: Ein gemeinsames Labor für Flügel der Zukunft


Genau damit beschäftigt sich das Programm Integrated Adaptive Wing Technology Maturation, angesiedelt im NASA-Projekt Advanced Air Transport Technology (AATT), das Teil des Programms Advanced Air Vehicles ist. Sein strategisches Ziel ist es, eine Erhöhung des Streckungsverhältnisses bei Transportflugzeugen um das etwa 1,5- bis 2-fache im Vergleich zu heutigen Konfigurationen zu ermöglichen, unter Beibehaltung von Sicherheit und Steuerbarkeit.


Im Rahmen des Programms werden sogenannte mehrzielige Regelungsgesetze entwickelt und getestet: Algorithmen, die gleichzeitig versuchen, den Widerstand zu verringern (Drag-Optimierung), Belastungen bei Manövern zu mildern, Windböen zu dämpfen und Flattern aktiv zu unterdrücken. Ein solcher Ansatz verbindet Aerodynamik, Strukturdynamik und Automatisierung zu einer Einheit – eine Disziplin, die Luftfahrtingenieure Aeroservoelastizität nennen.


Das Programm stützt sich auf frühere Projekte „grüner“ Flugzeuge, unter denen auch das Subsonic Ultra Green Aircraft Research (SUGAR) ist, in dem bereits ein abgestrebter Flügel (Truss-Braced Wing) getestet wurde, jedoch mit einer geringeren Anzahl aktiver Steuerflächen. IAWTM geht nun einen Schritt weiter: Statt zwei beweglicher Flächen pro Flügel, wie es bei SUGAR war, nutzt das neue Modell zehn solcher Elemente, um das Verhalten des Flügels im Flug feiner zu steuern.


Transonic Dynamics Tunnel: Ein großer Tunnel für ein halbes Flugzeug


Die Tests, die im Dezember 2025 ihren Höhepunkt erreichten, wurden im Transonic Dynamics Tunnel (TDT) der NASA im Langley Research Center in Hampton, Bundesstaat Virginia, durchgeführt. Es handelt sich um einen Windkanal, der seit mehr als sechs Jahrzehnten an der Entwicklung amerikanischer ziviler und militärischer Flugzeuge, Raketen, Raumfahrzeuge und experimenteller Konfigurationen beteiligt ist. Der Tunnel hat eine Teststrecke, die etwa 4,9 Meter (16 Fuß) hoch und breit ist, groß genug für Modelle, die das aerodynamische und strukturelle Verhalten großer Passagierflugzeuge getreu abbilden.


Da nicht das gesamte echte Passagierflugzeug in den Windkanal passt, haben NASA und Boeing ein spezielles Modell eines halben Flugzeugs bestellt, das von der Firma NextGen Aeronautics hergestellt wurde. Das Modell sieht aus wie ein Rumpf und ein Flügel eines Flugzeugs, die „in der Mitte durchgeschnitten“ und an der Tunnelwand befestigt sind. Der Flügel mit einer Spannweite von etwa 13 Fuß (etwas weniger als vier Meter) hat eine Geometrie mit hohem Streckungsverhältnis, mit relativ kleiner Tiefe und dünnem Profil, das sich im Flug deutlich biegt.


Entlang der Hinterkante des Flügels sind zehn bewegliche Flächen platziert, ähnlich klassischen Landeklappen und Querrudern, die als „Muskeln“ des aktiven Steuerungssystems dienen. In Flügel und Holm sind Hunderte von Sensoren eingebaut, die Belastungen, Verformungen und Vibrationen messen, während eine Reihe von Messsystemen im Tunnel Geschwindigkeit und Richtung der Luftströmung überwacht. All diese Informationen werden in Echtzeit an Computer gesendet, die die Bewegung der Steuerflächen nach vorab definierten Algorithmen steuern.


Von SUGAR zum fortschrittlichen adaptiven Flügel


Das neue Flügelmodell stellt einen bedeutenden Fortschritt im Vergleich zu früheren Forschungskonfigurationen dar. Im SUGAR-Programm, das ebenfalls Boeing einbezog, wurde ein Flügel mit zwei aktiven Steuerflächen getestet, womit Belastungen und Vibrationen teilweise gesteuert werden konnten. In IAWTM, mit zehn separaten Flächen entlang der Hinterkante, erhalten Ingenieure viel mehr Freiheitsgrade: Sie können verschiedene Teile des Flügels ansteuern, die Auftriebsverteilung ändern und die Reaktion auf Windböen feinabstimmen.


Ein solcher Ansatz eröffnet die Möglichkeit, dass sich der Flügel in verschiedenen Flugphasen unterschiedlich „verhält“. Zum Beispiel kann während des Reiseflugs der Schwerpunkt auf der Minimierung des Widerstands und des Treibstoffverbrauchs liegen, während bei Turbulenzen die Priorität auf die Dämpfung von Vibrationen und den Schutz der Struktur verlagert wird. Beim Starten und Landen können Steuerflächen bei einer gleichmäßigeren Lastverteilung über die Spannweite helfen, was die Konstruktionsanforderungen erleichtert und dünnere, leichtere Holme ermöglichen kann.


Tests 2024 und 2025: Erst Kalibrierung, dann aktive Kontrolle


Das Testprogramm lief in zwei Hauptkampagnen ab. Während des Jahres 2024 führten NASA und Boeing die erste Testreihe im TDT durch, um grundlegende Daten über das Verhalten des Flügels ohne komplexe Algorithmen der aktiven Kontrolle zu sammeln. Diese Ergebnisse wurden mit fortschrittlichen Computersimulationen verglichen, und die Unterschiede zwischen Messungen und Modellen dienten der Feinabstimmung der numerischen Werkzeuge.


Die zweite Kampagne, durchgeführt im Jahr 2025, nutzte die zehn Steuerflächen in verschiedenen Kombinationen. Die Forscher untersuchten Algorithmen zur Lastreduzierung bei Manövern, zur Milderung von Windböen sowie zur aktiven Unterdrückung von Flattern. In diesen Tests generierte der Tunnel Bedingungen ähnlich wie Windböen und Turbulenzen, die ein Flügel im echten Flug erleben würde, während die Kontrollsysteme in Echtzeit auf Laständerungen reagierten.


Nach ersten Analysen zeigten die bei der NASA und Boeing entwickelten Systeme der aktiven Kontrolle „große Leistungsverbesserungen“. Besonders hervorzuheben sind Tests, in denen Windböen simuliert wurden: Im Vergleich zum Fall ohne aktive Kontrolle wurde die Amplitude des Flügelschüttelns sichtbar verringert, was weniger Belastung für die Konstruktion und ruhigere Bedingungen für die Passagiere bedeutet. Obwohl detaillierte quantitative Daten noch nicht öffentlich bekannt gegeben wurden, gibt die NASA an, dass es aeroservoelastischen Algorithmen gelang, unerwünschte Vibrationen signifikant zu dämpfen.


Nun folgt die Phase des detaillierten Studiums der gesammelten Daten. Ingenieure werden analysieren, wie sich verschiedene Konfigurationen von Steuerflächen und Algorithmen über einen breiten Bereich von Geschwindigkeiten, Luftdichten und Belastungen verhalten. Die Ergebnisse werden dann mit Flugzeugherstellern und Fluggesellschaften geteilt, die auf dieser Grundlage bewerten werden, welche Technologien sinnvoll in zukünftige Passagiermodelle eingebaut werden können.


Was Passagiere und Fluggesellschaften gewinnen


Für Passagiere könnte der sichtbarste Effekt dieser Technologien – oder besser gesagt, kaum merkliche – das Gefühl eines viel ruhigeren Fluges sein. Längere und dünnere Flügel an sich können einen sanfteren Durchgang durch die Luft bieten, aber mit aktiver Flügelkontrolle wird Turbulenz zusätzlich gedämpft. Ein System, das Windböen „belauscht“ und in Sekundenbruchteilen die Flügelgeometrie anpasst, kann plötzliche Rucke und Erschütterungen, die viele Passagiere als unangenehmen oder sogar beängstigenden Teil der Reise erleben, erheblich reduzieren.


Für Fluggesellschaften ist die wirtschaftliche Rechnung entscheidend. Geringerer Treibstoffverbrauch bedeutet niedrigere Kosten und verringerte Exposition gegenüber der Volatilität der Preise für Erdölprodukte. In Kombination mit modernen Triebwerken und leichten Verbundstrukturen können Flügel mit hohem Streckungsverhältnis helfen, zweistellige prozentuale Einsparungen beim Treibstoffverbrauch auf typischen kommerziellen Routen zu erzielen, besonders auf Langstreckenflügen. Gleichzeitig bedeutet geringerer Treibstoffverbrauch weniger CO2-Emissionen pro Passagier, was in die Klimaziele passt, die sich sowohl Regulierungsbehörden als auch die Industrie selbst gesetzt haben.


Es ist auch wichtig, dass Technologien der aktiven Kontrolle schrittweise eingeführt werden können. Es ist nicht notwendig, dass die ersten Flugzeuge, die mit einem solchen System ausgestattet sind, sofort extrem schlanke Flügel haben; sie können mit mäßig erhöhtem Streckungsverhältnis beginnen, zusammen mit einem System, das bei der Lastmilderung hilft, und dann, wie die Industrie Erfahrung sammelt, in Richtung aggressiverer Geometrien gehen. Diese Allmählichkeit verringert das technologische und regulatorische Risiko und erleichtert die Zertifizierung neuer Lösungen.


Ein Schritt hin zu klimafreundlicherer Luftfahrt


Die Arbeit von NASA und Boeing an adaptiven abgestrebten Flügeln passt in das breitere Bild der Transformation des Luftverkehrs. Während sich ein Teil der Industrie auf neue Kraftstoffe konzentriert – nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF), Wasserstoff oder elektrische und hybrid-elektrische Antriebe – bleiben aerodynamische und strukturelle Verbesserungen ein notwendiges Fundament jeder Dekarbonisierungsstrategie. Jede Verringerung des Widerstands und Erhöhung der Effizienz reduziert direkt die Energiemenge, die zur Durchführung desselben Fluges benötigt wird, unabhängig davon, woher diese Energie kommt.


Wenn die Ergebnisse des IAWTM-Programms in konkrete Passagierflugzeuge umgesetzt werden, könnten zukünftige Passagiere in einer Kabine mit Blick auf ungewöhnlich lange, elegante Flügel sitzen, die sich beim Starten und Landen sichtbar biegen. Hinter diesem Anblick werden ausgeklügelte Systeme aus Sensoren, Aktuatoren und Algorithmen stehen, die dafür sorgen, dass das Biegen in sicheren Grenzen bleibt, Vibrationen gedämpft werden und der Treibstoffverbrauch geringer ist als je zuvor. Das könnte, neben anderen Innovationen, helfen, dass der Luftverkehr seine Rolle in der globalen Mobilität behält, aber mit einem deutlich kleineren ökologischen Fußabdruck als heute.


Obwohl das Testen im Windkanal abgeschlossen ist, ist die Arbeit für Wissenschaftler und Ingenieure noch nicht beendet. Nächste Schritte beinhalten die Verbreitung der Ergebnisse an die Fachgemeinschaft, die Prüfung, wie gelernte Lektionen auf verschiedene Flugzeugtypen angewendet werden können – von Schmalrumpfflugzeugen für Kurz- und Mittelstrecken bis zu großen Großraumflugzeugen – und schließlich die Entwicklung eines Demonstrators im echten Flug. Wie schnell das geschehen wird, hängt vom Interesse der Hersteller, regulatorischen Rahmenbedingungen und der Bereitschaft des Marktes ab, aber es ist klar, dass sich die Idee langer, schmaler und aktiv gesteuerter Flügel ernsthaft der kommerziellen Anwendung nähert.


Quellen:
- NASA – offizielle Mitteilung über das Testen langer, schmalerer Flügel im Transonic Dynamics Tunnel (Link)
- New Atlas – populärwissenschaftliche Darstellung der NASA–Boeing-Tests des adaptiven Flügels und der Turbulenzreduzierung (Link)
- Flying / Flights – analytischer Artikel über das IAWTM-Projekt und die Auswirkungen aktiver Kontrolle auf Flattern und Flügelbelastungen (Link)
- DLR – Fachtext über die Entwicklung von Flügeln mit größerem Streckungsverhältnis in der kommerziellen Luftfahrt (Link)
- MDPI / Aerospace – wissenschaftliche Arbeit über den Einfluss erhöhten Flügelstreckungsverhältnisses auf Widerstand und Effizienz, am Beispiel der Boeing 777-300ER (Link)
- NASA NTRS – Präsentationen über Ziele und Methoden des Integrated Adaptive Wing Technology Maturation Programms und mehrzielige Regelungsgesetze (Link)

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Erstellungszeitpunkt: 4 Stunden zuvor

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