Ein revolutionärer Schritt im Bereich der regenerativen Medizin steht kurz davor, außerhalb der Grenzen unseres Planeten stattzufinden. Im Rahmen der bevorstehenden 33. kommerziellen Versorgungsmission (CRS-33) von SpaceX, die von der NASA in Auftrag gegeben wurde, wird eine einzigartige wissenschaftliche Fracht zur Internationalen Raumstation (ISS) geschickt. Es handelt sich um ein Experiment des Wake Forest Institute for Regenerative Medicine (WFIRM), dessen Ziel es ist, das Verhalten und die Entwicklung von 3D-biogedruckten menschlichen Lebergewebekonstrukten unter den Bedingungen der Mikrogravitation zu untersuchen. Dieses vom ISS National Laboratory geförderte Projekt öffnet die Tür zu völlig neuen Möglichkeiten bei der Behandlung von Krankheiten und der Schaffung von Organen für die Transplantation.
Die Herausforderung der Vaskularisierung: Ein entscheidendes Hindernis auf der Erde
Die 3D-Bioprinting-Technologie stellt einen der vielversprechendsten Zweige der modernen Wissenschaft dar. Sie ermöglicht es Wissenschaftlern, lebende menschliche Zellen als "Biotinte" zu verwenden, um komplexe dreidimensionale Strukturen zu schaffen, die die Funktion menschlicher Gewebe und Organe originalgetreu nachahmen. Solche künstlich hergestellten Konstrukte haben ein enormes Potenzial – von Plattformen zum Testen neuer Medikamente und zur Untersuchung des Krankheitsverlaufs bis hin zum ultimativen Ziel, beschädigte Gewebe infolge von Krankheiten, Verletzungen oder Alterung zu reparieren oder zu ersetzen. Im Mittelpunkt dieser speziellen Forschung steht die Leber, ein lebenswichtiges Organ mit einer äußerst komplexen Struktur und einem dichten Netz von Blutgefäßen.
Wissenschaftler des WFIRM haben bereits auf der Erde bedeutende Erfolge erzielt und erfolgreich Lebergewebekonstrukte mit funktionellen vaskulären Kanälen geschaffen, die bis zu 30 Tage lebensfähig bleiben. Genau hier liegt jedoch auch die größte Herausforderung. Große, dicke biogedruckte Gewebe am Leben zu erhalten, stellt aufgrund grundlegender Einschränkungen bei der Schaffung einer effektiven Vaskularisierung ein gewaltiges Hindernis dar. Ohne ein verzweigtes Netzwerk von Kanälen, ähnlich unseren Blutgefäßen, kann das Gewebe den dringend benötigten Sauerstoff und die Nährstoffe nicht erhalten und auch Stoffwechselabfälle nicht effizient beseitigen. Die Folge ist, dass künstlich hergestellte Gewebe mit der Zeit an Vitalität verlieren und ihre Funktion nachlässt und schließlich aufhört.
Mikrogravitation als mögliche Lösung
Gerade die einzigartige Umgebung der Internationalen Raumstation könnte eine Lösung für dieses irdische Problem bieten. Wissenschaftler vermuten, dass die Bedingungen der Mikrogravitation, also der wahrgenommene Zustand der Schwerelosigkeit, das Verhalten der Zellen drastisch beeinflussen könnten. Das Fehlen einer dominanten Schwerkraft könnte die Art und Weise verändern, wie sich die Zellen innerhalb des Konstrukts anordnen, wie sie sich miteinander verbinden und wie sie an dem biokompatiblen Substrat haften. Es besteht die Hoffnung, dass solche Bedingungen die Zellen zu einer spontaneren und natürlicheren Selbstorganisation anregen könnten, was zu einer schnelleren Reifung des Gewebes und der Bildung stabilerer und funktionellerer Strukturen führen würde.
Dieses Experiment soll entscheidende Einblicke liefern, wie man besseres und langlebigeres Gewebe herstellen kann, nicht nur für die Krankheitsforschung, sondern auch für die zukünftige klinische Anwendung bei der Behandlung von Patienten auf der Erde. Zur Durchführung der Forschung wird eine fortschrittliche Plattform der Firma Redwire Space, bekannt als Multi-Use Variable-Gravity Platform (MVP), verwendet. Dieses System ermöglicht eine präzise Kontrolle der Bedingungen und die Beobachtung der Gewebeentwicklung in Echtzeit, was dem wissenschaftlichen Team unschätzbare Daten liefert.
Professor James Yoo, einer der Forschungsleiter am WFIRM, äußerte großen Optimismus. "Der erfolgreiche Abschluss dieses Experiments könnte das Tissue Engineering auf der Erde erheblich voranbringen und den Grundstein für die zukünftige Bioproduktion von Geweben und Organen im Weltraum für Transplantationen legen", erklärte Yoo. "Diese gemeinschaftliche Forschung hat das Potenzial, außergewöhnliche Ergebnisse zu liefern. Mithilfe von Bioprinting-Technologien haben wir gelartige Gerüste mit Kanälen für den Sauerstoff- und Nährstofffluss geschaffen, die natürliche Blutgefäße nachahmen und so neue Horizonte für medizinische Behandlungen sowohl auf der Erde als auch im Weltraum eröffnen."
Der Weg zu den Sternen: Von einer NASA-Herausforderung zu einer Weltraummission
Der Weg dieses Experiments ins All begann auf der Erde, mit einem Wettbewerb. Zwei Teams von Forschern und Studenten des WFIRM – Team Winston und Team WFIRM – nahmen an der "Vascular Tissue Challenge" der NASA teil. Diese Herausforderung, Teil des NASA-Programms "Centennial Challenges", wurde entwickelt, um Innovationen im Tissue Engineering zu fördern, die sowohl der Weltraumforschung als auch den Menschen auf der Erde durch Fortschritte in der regenerativen Medizin zugutekommen könnten.
Beide Teams gewannen durch die Demonstration ihrer Technologie wertvolle Preise in Höhe von insgesamt 400.000 US-Dollar zur weiteren Finanzierung der Forschung. Noch wichtiger ist, dass sie die Möglichkeit erhielten, ihre Innovationen auf einer einzigartigen Plattform zu testen – der Internationalen Raumstation. Team Winston wird das erste Team sein, das seine Technologie in den Orbit schickt.
Während ihres Aufenthalts auf der ISS wird Team Winston die Gewebeentwicklung und die Funktionalität der Leber- und Gefäßzellen innerhalb des Konstrukts sorgfältig bewerten. Besonderes Augenmerk wird auf den Einfluss der Mikrogravitation auf wichtige zelluläre Eigenschaften gelegt. Zum Beispiel wird das Team detailliert untersuchen, ob die Gefäßzellen eine korrekte und durchgehende Auskleidung innerhalb der Blutgefäßwände im Leberkonstrukt bilden, was für dessen langfristige Funktion entscheidend ist.
Zusammenarbeit als Grundlage für die Zukunft der Medizin
Dieses ehrgeizige Projekt wäre ohne eine breite Zusammenarbeit zwischen der akademischen Gemeinschaft, Regierungsbehörden und dem Privatsektor nicht möglich. Die Organisation des Wettbewerbs selbst wurde für die NASA von der New Organ Alliance, einem Ableger der Methuselah Foundation, durchgeführt. Das neunköpfige Preisgericht bestand aus führenden Experten auf dem Gebiet der regenerativen Medizin, unterstützt von Experten der NASA, der National Institutes of Health (NIH), des ISS National Laboratory und angesehenen akademischen Forschern.
David Gobel, Mitbegründer und CEO der Methuselah Foundation, betonte die Bedeutung solcher Initiativen. "Unsere Mission bei der Methuselah Foundation umfasst die Verlängerung des gesunden menschlichen Lebens durch Fortschritte in der regenerativen Medizin", sagte Gobel. "Durch die Zusammenarbeit mit der NASA und dem ISS National Laboratory zur Beschleunigung von Innovationen verbessern wir nicht nur die menschliche Gesundheit auf der Erde, sondern bereiten uns auch auf die Herausforderungen der Weltraumforschung vor und stärken die zukünftige Weltraumindustrie." Die potenziellen Anwendungen sind weitreichend – von der Schaffung von Organen bei Bedarf, wodurch das globale Problem des Spendermangels gelöst würde, bis hin zur Bereitstellung medizinischer Unterstützung für Astronauten auf zukünftigen Langzeitmissionen zum Mond und Mars.
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