In einer Ära, in der die Raumfahrtindustrie eine nie dagewesene Expansion erlebt und die Anzahl der Satelliten im Orbit mit exponentieller Geschwindigkeit wächst, hört die Frage der Nachhaltigkeit von Weltraumtechnologien auf, nur ein futuristisches Konzept zu sein, und wird zur Notwendigkeit. Während sich die Blicke der Öffentlichkeit oft auf spektakuläre Raketenstarts richten, findet die wahre Revolution in der Stille der Labore statt, auf der mikroskopischen Ebene der Komponenten, die diese Satelliten am Leben erhalten. Im Zentrum dieser stillen Revolution befindet sich eine Schlüsselkomponente jedes Raumfahrtsystems – die Solarzelle.
Seit Jahrzehnten stellen hocheffiziente III-V-Mehrfachsolarzellen (multi-junction) den Goldstandard für die Energieversorgung von Satelliten dar. Ihre überlegene Effizienz und außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Strahlungsbedingungen im Weltraum machen sie unverzichtbar. Jedoch verbirgt sich hinter diesen Leistungen ein "schmutziges" Geheimnis: Ihre Produktion ist extrem ressourcenintensiv, energieintensiv und erzeugt erhebliche Mengen an chemischem Abfall. Eine solche Praxis steht in direktem Konflikt mit den neuen, ambitionierten Zielen der Initiative "Green Space" und dem allgemeinen Trend der Nachhaltigkeit in der Technologie.
Als Antwort auf diese Herausforderung entwickelt ein Expertenteam des deutschen Instituts Fraunhofer ISE, mit starker Unterstützung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) durch ihr Programm "Discovery & Preparation", einen innovativen Ansatz zur Mikrofabrikation. Ihr Ziel ist radikal: traditionelle, teure Prozesse durch eine neue "Mask-and-Plate"-Methode zu ersetzen, die eine Transformation der Art und Weise verspricht, wie wir Energie für den Weltraum produzieren.
Dominanz der III-V-Technologie und ihr Preis
Schon seit den späten 1990er Jahren beherrschen auf III-V-Halbleitern basierende Photovoltaikzellen den Raumfahrtsektor souverän. Im Gegensatz zu Siliziumpaneelen, die wir auf Hausdächern sehen, verwenden diese Zellen komplexe Kombinationen von Elementen aus der dritten und fünften Gruppe des Periodensystems der Elemente. Der Grund für ihre Dominanz liegt in der Physik: Sie sind fähig, einen wesentlich höheren Prozentsatz des Sonnenlichts in elektrische Energie umzuwandeln und, was noch wichtiger ist, sie können den Beschuss durch hochenergetische Teilchen im Orbit ohne drastischen Leistungsverlust überleben.
Diese Geräte werden durch den Prozess der Epitaxie hergestellt – dem präzisen Wachstum extrem dünner Halbleiterschichten auf einem Substrat aus Germanium (Ge). Stellen Sie sich das wie das Schichten einer Torte auf atomarer Ebene vor, wo jede Schicht perfekt sein muss. Nach dem Wachstum der Schichten folgt die Phase der Produktion der Zellen selbst. Obwohl dieser Ansatz technologisch ausgereift und mit den rauen Bedingungen des Vakuums und extremer Temperaturen kompatibel ist, trägt er einen hohen Preis, nicht nur finanziell, sondern auch ökologisch.
Der intensive Ressourcenverbrauch ergibt sich aus drei Schlüsselfaktoren, die tief in der heutigen Industriepraxis verwurzelt sind:
- Abhängigkeit von Germanium: Substrate aus Germanium sind selten und teuer, und ihre Bearbeitung erfordert erhebliche Energie.
- Epitaktisches Wachstum: Der Prozess der Schichtbildung selbst verbraucht enorme Mengen an Energie, um die notwendigen Bedingungen hoher Temperaturen und des Vakuums aufrechtzuerhalten.
- Mikrofabrikation: Die Endbearbeitung umfasst Photolithographie und Metallaufdampfung (metal evaporation). Diese Schritte sind Engpässe der Produktion – sie sind langsam, teuer und energieineffizient.
Die Herausforderung: Wie Effizienz und Nachhaltigkeit vereinen?
Während sich auf der Erde die Produktion von Silizium-Solarzellen zu einer hochoptimierten Industrie entwickelt hat, die auf Materialausnutzung achtet, können diese Prozesse nicht einfach für Weltraumbedürfnisse kopiert werden. Materialien und Techniken, die unter milden Bedingungen auf der Erde funktionieren, würden in der gnadenlosen Umgebung des Weltraums oft versagen, wo drastische Temperaturschwankungen und kosmische Strahlung herrschen. Daher ist die bloße Anpassung irdischer Technologien keine Option.
Forscher haben bereits gewisse Fortschritte im Bereich der Wiederverwendung von Substraten und effizienteren epitaktischen Prozessen erzielt. Jedoch blieb die dritte Säule – die Mikrofabrikation – weitgehend unberührt von Innovationen, bis jetzt. Die traditionelle Photolithographie, der Prozess der Übertragung geometrischer Muster auf einen Untergrund mittels Licht, erfordert die Verwendung von Photolacken, Entwicklern und Lösungsmitteln, was toxischen flüssigen Abfall erzeugt.
Genau hier tritt das Team des Fraunhofer ISE Instituts mit einer revolutionären Idee auf den Plan, die ursprünglich über den ESA-Kanal "Open Discovery Ideas Channel" (OSIP) angemeldet wurde. Ihre Lösung, genannt "AlternateSpace", hat das Potenzial, die Industriestandards neu zu definieren.
Inkjet-Druck: Vom Bürodrucker zu Weltraumlaboren
Der Kern der Innovation liegt in der Abkehr von der Photolithographie zugunsten einer Technologie, die die meisten von uns mit dem Drucken von Dokumenten oder Fotos verbinden – dem Inkjet-Druck (Tintenstrahldruck). Aber hier geht es nicht um gewöhnliche Tinte. Das Forschungsteam entwickelte eine Methode, die spezialisierte Tinten (Hotmelt-Tinten) als Maske für die weitere Bearbeitung verwendet.
Dieser Ansatz, bekannt als "Mask-and-Plate", bringt eine Reihe von Schlüsselvorteilen, die direkt die Nachhaltigkeitsprobleme adressieren:
In erster Linie eliminiert die Verwendung von "heißschmelzenden" Tinten (hotmelt inks) die Notwendigkeit für toxische und photoaktive Materialien, die in der Photolithographie unvermeidlich sind. Die Tinte wird direkt auf die Oberfläche der Zelle in einem präzise kontrollierten Muster aufgetragen. Da es sich um einen additiven Prozess handelt – Material wird nur dort hinzugefügt, wo es benötigt wird – wird die Abfallmenge drastisch reduziert.
Darüber hinaus entfernt diese Methode die Notwendigkeit für Schritte der nasschemischen Entwicklung (wet-chemical development). In der klassischen Produktion ist es nach der Belichtung des Photolacks notwendig, unnötige Teile chemisch zu entfernen, was erhebliche Mengen an gefährlichem Abfall erzeugt. Der Inkjet-Druck überspringt diesen Schritt einfach, was die Produktionskette signifikant vereinfacht und den ökologischen Fußabdruck der Fabrik reduziert.
Revolution in der Metallisierung: Galvanisierung statt Aufdampfen
Das zweite Schlüsselelement dieser Innovation bezieht sich auf die Art und Weise, wie Metallkontakte auf der Solarzelle erzeugt werden. Im konventionellen Prozess wird das Aufdampfen von Metall im Vakuum verwendet, ein Prozess, der viel Energie und Material verbraucht, da sich das Metall auf der gesamten Oberfläche ablagert und der Überschuss dann entfernt wird (Lift-off-Prozess).
Der neue Ansatz des Fraunhofer ISE ersetzt das Aufdampfen durch den Prozess der Galvanisierung (electroplating). Hier wird Metall auf elektrochemischem Wege ausschließlich in Bereichen abgelagert, wo das Halbleitermaterial nicht von Tinte bedeckt ist. Das bedeutet, dass es keine Verschwendung von Edelmetallen gibt und keine Notwendigkeit für das nachträgliche Entfernen von überschüssigem Material.
Jedoch war der Weg zu dieser Lösung nicht einfach. Er erforderte eine umfassende Optimierung jedes Parameters. Forscher mussten verschiedene Tintenarten testen und Variablen wie Druckauflösung und Temperatur anpassen, um zuverlässige, mikroskopisch kleine Öffnungen für Kontakte zu erreichen. Die chemische Kompatibilität der Maske war ein kritischer Punkt; sie musste verschiedenen Elektrolyten, Temperaturen und pH-Werten während des Galvanisierungsprozesses ohne Degradation standhalten.
Suche nach dem perfekten Metall: Nickel-Phosphor
Eine besondere Herausforderung stellte die Metallisierung selbst dar. Für Weltraumanwendungen dürfen Materialien nicht ferromagnetisch sein, da sie mit dem Magnetfeld der Erde (oder anderer Körper) interferieren und unerwünschte Rotationen oder Störungen in der Satellitennavigation verursachen könnten. Standardnickel, das oft in der Elektronik verwendet wird, ist ein magnetisches Material.
Das Team untersuchte und implementierte daher erfolgreich Nickel-Phosphor (NiP) als nicht-ferromagnetische Alternative. Dieses Material dient als Barriere und Haftschicht. Das endgültige Musterdesign umfasst Frontkontakte aus Silber, die auf eine Schicht aus Nickel-Phosphor aufgetragen sind. Tests haben gezeigt, dass diese Kombination nicht nur elektrisch effizient, sondern auch vollständig kompatibel mit den extremen Anforderungen der Weltraumumgebung ist.
Erwartete Ergebnisse und Blick in die Zukunft
Nach der Definition einer vollständigen Prozessroute, die alle neu entwickelten Schritte integriert – vom Inkjet-Druck der Maske bis zur selektiven Galvanisierung – tritt das Projekt in die finale Phase der Demonstration ein. Nach den Ankündigungen des Teams wird eine voll funktionsfähige Photovoltaikzelle, hergestellt ohne Photolithographie, mit Metallkontakten, die durch weltraumkompatible Galvanisierung aufgetragen wurden, als Krönung dieses Forschungszyklus erwartet.
Dieser technologische Durchbruch kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt, heute, am 05. Dezember 2025, wo die Raumfahrtindustrie unter immer größerem Druck steht, Kosten zu senken und die Nachhaltigkeit zu erhöhen. Massive Satellitenkonstellationen im niedrigen Orbit erfordern tausende von Solarpaneelen, und die aktuellen Produktionskapazitäten und Kosten stellen einen Engpass dar.
Oliver Höhn, Gruppenleiter für III-V-Halbleitertechnologie am Institut Fraunhofer ISE, betont die Wichtigkeit dieser Errungenschaft: "Durch den Ersatz von Photolithographie und Metallaufdampfung durch skalierbaren Inkjet-Druck und Galvanisierung demonstriert Fraunhofer ISE einen vereinfachten Prozess mit signifikant reduziertem chemischem Abfall. Dieser Ansatz steht im Einklang mit den Zielen der Nachhaltigkeit des 'grünen Weltraums' und der Kostensenkung. Nach der erfolgreichen Demonstration dieses Ansatzes ist unser Ziel die Zusammenarbeit mit der Industrie, um den Prozess weiterzuentwickeln, zu stabilisieren und schließlich hin zur industriellen Realisierung zu skalieren."
Einen ähnlichen Optimismus teilt auch Erminio Greco, Ingenieur für Solargeneratoren bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA): "Diese Arbeit markiert einen Schlüsselschritt hin zu einer kostengünstigen, nachhaltigen und effizienten III-V-Solarzellentechnologie. Sie ebnet den Weg für eine skalierbare und wirtschaftlich rentable Produktionsroute für die nächste Generation der Weltraum-Photovoltaik. Die Ergebnisse der Aktivität heben die Schlüsselrolle des ESA-Programms Discovery & Preparation bei der Generierung neuer Ideen hervor, die die Entwicklung zukünftiger Weltraumtechnologien anstoßen können."
Breiterer Kontext: Grüner Weltraum (Green Space)
Das Projekt "AlternateSpace" ist kein isolierter Vorfall von Innovation, sondern Teil einer breiteren Strategie. Die Initiative "Clean Space" der Europäischen Weltraumorganisation arbeitet bereits seit Jahren an der Bewertung der Auswirkungen von Weltraummissionen auf die Umwelt, sowohl auf der Erde als auch im Weltraum. Die Einführung von Technologien, die den energetischen Fußabdruck der Komponentenproduktion reduzieren, trägt direkt zu diesen Zielen bei.
Der Übergang zu Inkjet-Druck und Galvanisierung könnte den Energieverbrauch in der Produktion von Solarzellen um einen signifikanten Prozentsatz senken, während die Eliminierung toxischer Chemikalien die Einhaltung strenger EU-Umweltvorschriften, wie der REACH-Verordnung, erleichtern würde. Außer ökologischen Vorteilen ist die wirtschaftliche Rechnung klar: billigere Produktion bedeutet billigere Satelliten, was letztendlich zugänglichere Weltraumdienstleistungen ermöglicht, von Internet und Kommunikation bis zur Erdbeobachtung und Überwachung des Klimawandels.
In einer Welt, in der Ressourcen immer klüger genutzt werden müssen, zeigt eine Technologie, die die Präzision deutscher Ingenieurskunst mit der Vision eines nachhaltigen Weltraums verbindet, dass es möglich ist, die Sterne zu erreichen, ohne den Planeten zu zerstören, von dem wir starten. Fraunhofer ISE und ESA beweisen mit diesem Projekt, dass die Zukunft der Weltraumenergie nicht nur in größerer Effizienz liegt, sondern auch in klügerer, sauberer und verantwortungsvollerer Produktion.
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Erstellungszeitpunkt: 6 Stunden zuvor