NASAs neuer bildgebender Spektrometer AVIRIS-5 hat operative Flüge über dem westlichen Teil der Vereinigten Staaten begonnen, um Geowissenschaftlern zu helfen, Gesteine, die Lithium und andere kritische Mineralien enthalten, präzise zu kartieren. Die Flüge werden im Rahmen der mehrjährigen Kampagne GEMx (Geological Earth Mapping Experiment) in Partnerschaft mit dem US Geological Survey (USGS) durchgeführt. Es handelt sich um das größte luftgestützte spektroskopische Unterfangen dieser Art in den USA, und die Ankündigung des Betriebsbeginns von AVIRIS-5 erfolgte am 9. Dezember 2025, einen Tag vor dem heutigen Datum (10. Dezember 2025). Nach offiziellen Angaben hat die neue Generation des Instruments bereits in diesem Jahr mehr als 200 Flugstunden über Kalifornien, Nevada und anderen Bundesstaaten des amerikanischen Westens absolviert, im Rahmen der Bemühungen, den Fund und die Bewertung von Ressourcen, die für die Energiewende wichtig sind, zu beschleunigen.
Instrument geringer Masse, gewaltiger Leistung
AVIRIS-5 (Airborne Visible/Infrared Imaging Spectrometer-5) befindet sich in der Nase von NASAs ER-2-Flugzeug und ist in den Abmessungen mit einer Mikrowelle vergleichbar, doch seine Leistung stützt sich auf die Tradition der JPL-Raumspektrometer. Im Vergleich zur vorherigen Generation bietet es eine doppelt so feine räumliche Auflösung, sodass es auf Standardflughöhen Details von weniger als 30 Zentimetern bis ungefähr 10 Metern auflösen kann, abhängig von der Missionskonfiguration und den Aufnahmezielen. Das grundlegende Produkt des Instruments sind keine „gewöhnlichen Fotos“, sondern sogenannte spektrale „Würfel“ – Serien von Bildern in hunderten von benachbarten Wellenlängenkanälen im sichtbaren und kurzwelligen Infrarotbereich. In solchen Daten hinterlassen Mineralien, Gesteine, Vegetation und anthropogene Materialien erkennbare spektrale „Fingerabdrücke“, anhand derer sie mit großer Zuverlässigkeit unterschieden und kartiert werden können.
Von Newtons Prisma zum „schwarzen Silizium“
Die Technologie der bildgebenden Spektroskopie, die hinter AVIRIS-5 steht, entspringt dem jahrhundertealten Verständnis der Lichtzerlegung, stützt sich aber auch auf die neuesten Materialien und mikrooptischen Konzepte. Das Gerät verwendet eine Kombination aus Spiegeln, Detektormatrizen und präzise gravierten Gittern (elektronisch gestapelt), die die reflektierte Sonnenstrahlung lenken und in ihre „Farbbestandteile“ zerlegen. Eine kritische Rolle spielen Oberflächen aus sogenanntem schwarzen Silizium – einem der dunkelsten künstlichen Materialien – dessen mikronanoskopischer „Wald“ aus nadelartigen Strukturen Streulicht einfängt und dessen Streuung im Inneren des Instruments verhindert. Dadurch werden Rauschen und interne Reflexionen reduziert und die Messgenauigkeit erhöht, was eine Voraussetzung dafür ist, dass bei der Verarbeitung später sehr subtile Absorptionsmerkmale klar unterschieden werden können, die beispielsweise Lithium-Tone von ähnlichen Mineralien ohne Lithium abgrenzen.
Fliegen über 95 % der Atmosphäre
Die operative Plattform für AVIRIS-5 ist die ER-2 – die wissenschaftliche Version der bekannten U-2 – die regelmäßig Flughöhen von etwa 18–20 Kilometern bzw. ungefähr 60.000 Fuß erreicht. In diesen Höhen befindet sich mehr als 95 % der Luft unterhalb des Flugzeugs, wodurch atmosphärische Störungen und Rauschen in den Aufnahmen erheblich reduziert werden und ein weites Sichtfeld gewonnen wird. Die Ausgangsbasis ist NASAs Armstrong Flight Research Center in Edwards (Kalifornien). Im Laufe des Jahres 2025 wurden Serienüberflüge über Wüsten- und Halbwüstenlandschaften von Kalifornien, Nevada und benachbarten Bundesstaaten durchgeführt – Gelände, die ideal für die Mineralspektroskopie sind, da das kahle Relief und der Mangel an dichter Vegetation es den mineralischen „Signaturen“ erlauben, zur Geltung zu kommen. Das gemeinsame Team von NASA und USGS hat von 2023 bis heute Daten auf mehr als 366.000 Quadratmeilen (etwa 950.000 km²) gesammelt, was eine einzigartige Basis für weitere Analysen und Feldbestätigungen der Befunde bietet.
GEMx und Earth MRI: mehrjährige Synergie von NASA und USGS
GEMx ist ein Forschungsprojekt, das für einen Zeitraum von vier Jahren geplant ist. Es wird durch die Initiative Earth Mapping Resources Initiative (Earth MRI) des USGS finanziert, in die dank des bundesstaatlichen Bipartisan Infrastructure Law erhebliche zusätzliche Investitionen geflossen sind. Earth MRI modernisiert die Kartierung der Oberfläche und des Untergrunds der USA und kombiniert geologische, geochemische und geophysikalische Ansätze, um einen dreidimensionalen Einblick in den Aufbau des Geländes zu schaffen. Die bildgebende Spektroskopie aus der Luft ist in diesem Mosaik eine entscheidende „Überholspur“: Sie ermöglicht die großflächige Eingrenzung von Interessenzonen und die Bestimmung von Prioritätsstandorten für Feldforschungen und Bohrungen. Auf diese Weise werden Kosten gesenkt, die Entscheidungsfindung beschleunigt und – vielleicht am wichtigsten – potenzielle Umweltrisiken im Zusammenhang mit Bergbauaktivitäten im Voraus bewertet.
Frühe Ergebnisse: Hectorit in Abraumhalden und eine „zweite Chance“ für alte Deponien
Zu den frühesten herausragenden Befunden der ersten AVIRIS-5-Überflüge im Jahr 2025 gehört die Bestätigung des Vorhandenseins von Hectorit – einem Tonmineral, das Lithium enthält – in den Abraumhalden eines verlassenen Bergwerks in Kalifornien und an einigen weiteren Standorten. Die Bedeutung einer solchen Entdeckung ist zweifach. Einerseits zeigt sie, dass alte Bergbaudeponien, die jahrzehntelang nur als Umweltproblem wahrgenommen wurden, mit modernen Verarbeitungstechnologien zu einer Quelle neuer Vorräte an strategischen Rohstoffen werden können. Andererseits helfen dieselben Daten dabei, Orte mit dem Potenzial für die Entstehung von saurer Minendrainage (wenn freiliegende Gesteine und Abraum sich bei Kontakt mit Luft und Wasser chemisch verändern und Säuren sowie Metalle freisetzen) zu identifizieren, was eine frühere Planung von Sanierungsmaßnahmen ermöglicht. Die NASA-Wissenschaftlerin Dana Chadwick betont, dass derselbe Datentyp neben der „Jagd nach Mineralien“ auch dem Landmanagement, der Analyse der für Wasserressourcen wichtigen Schneedecke und der Bewertung des Brandrisikos dient – daher sind kritische Mineralien erst der Anfang einer breiteren Anwendung von AVIRIS-5.
Warum „kritische“ Mineralien und wie AVIRIS-5 helfen kann
Der USGS führt etwa 50 mineralische Rohstoffe als kritisch auf, deren Versorgungsunterbrechung erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und die nationale Sicherheit hätte. In der Praxis handelt es sich um Gruppen wie Seltenerdelemente, Lithium, Kobalt und Nickel, die grundlegend für Batterien, Windkraftanlagen, Elektromotoren, hocheffiziente Elektronik und eine Reihe von Militär- und Raumfahrtsystemen sind. Eine schnelle und objektive Bewertung des geologischen Potenzials auf großen Flächen ist auch wegen der transparenten Steuerung der Erwartungen lokaler Gemeinschaften und Investoren notwendig. Die bildgebende Spektroskopie ermöglicht es, aus der Luft, ohne invasive Arbeiten, geologische Kontexte zu identifizieren, die ein größeres Potenzial bergen – beispielsweise hydrothermal veränderte Gesteine, tonreiche Argillite, Karbonatzonen mit Spuren von Metallbelastung – wonach Feldteams gezielt Kartierungen und Probenahmen durchführen. Dadurch werden Kosten und Risiken gesenkt und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass begrenzte Ressourcen auf vielversprechende Ziele gelenkt werden.
Spektrale „Fingerabdrücke“ und Wissenschaft ohne Raten
AVIRIS-5 misst reflektierte Sonnenstrahlung in einem breiten Wellenlängenbereich vom sichtbaren bis zum kurzwelligen Infrarotbereich. Jedes Pixel der Oberfläche erhält ein eigenes kontinuierliches Spektrum mit mehr als zweihundert Kanälen, sodass bei der Verarbeitung auch sehr subtile Absorptionslinien gesucht werden können. Der Lithiumton Hectorit zeigt beispielsweise spezifische Absorptionsmerkmale im kurzwelligen Infrarotbereich, die sich von Smektiten ohne Lithium unterscheiden; Karbonate und Sulfate haben separate charakteristische Bänder; Eisenoxide bilden erkennbare Veränderungen im sichtbaren und nahen Infrarotteil des Spektrums. Wenn solche Signale konsistent auftreten, auf mehreren benachbarten Pixeln und in verschiedenen Beleuchtungsgeometrien, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine echte mineralische „Signatur“ handelt, erheblich. Deshalb werden die Daten-„Würfel“ von AVIRIS oft mit geologischen Karten, historischen Bergbauaufzeichnungen und Feldproben kombiniert, um Hypothesen zu bestätigen oder zu verwerfen.
Erbe aus anderen Welten
Die bildgebenden Spektrometer des JPL haben zahlreiche Planetenmissionen geprägt. Beispielsweise entdeckte das Instrument Moon Mineralogy Mapper 2009 als erstes zuverlässig Wasser auf dem Mond, während andere verwandte Instrumente die Marskruste kartierten, Seen auf Titan entdeckten und mineralreiche Staubwolken über der Sahara verfolgten. Ein neuer Spektrometer ist bereits auf dem Weg zum Europa, Jupiters Ozeanmond, um nach chemischen Bestandteilen zu suchen, die mit Voraussetzungen für Leben in Verbindung gebracht werden können. AVIRIS-5 stellt somit den neuesten Schritt in einer Reihe von Sensoren dar, die im Weltraum bewährt sind und nun für sehr präzise Wissenschaft aus der Luft über der Erdoberfläche angepasst wurden.
Vom „Klassiker“ zur fünften Generation
Die AVIRIS-Familie begann 1986 zu fliegen und war über die Jahrzehnte auf mehreren Plattformen untergebracht: von der hochfliegenden ER-2 über das Turboprop-Flugzeug Twin Otter und den experimentellen Proteus bis zu NASAs WB-57. Das „klassische“ AVIRIS und das spätere AVIRIS-NG (Next Generation) haben sich bereits in zahlreichen Missionen bewährt – von der Kartierung der Folgen von Bränden und Eruptionen über die Schadensbewertung nach Katastrophen, die Analyse der Luftqualität bis zur Überwachung landwirtschaftlicher Kulturen. Die fünfte Generation geht einen Schritt weiter: eine doppelt so feine räumliche Auflösung, ein verbessertes Signal-Rausch-Verhältnis und Kalibrierungsstabilität verkürzen die Zeit, die benötigt wird, um Zielmineralgruppen zu unterscheiden, und öffnen gleichzeitig Raum für zusätzliche Themen, wie die Bewertung des Zustands der Vegetation oder des Schnees, der die Wasserressourcen von Bergregionen bewahrt.
Offenheit der Daten und Nutzer außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft
Einer der größten Werte von GEMx ist der offene Zugang zu kalibrierten Daten und abgeleiteten Produkten. Die NASA veröffentlicht gemessene und verarbeitete Daten über eigene Portale, während der USGS im Rahmen von Earth MRI regelmäßig thematische Karten, Berichte und Pressemitteilungen veröffentlicht. Dadurch erhalten Industrie, lokale Behörden, private Forscher und Universitäten Zugang zu standardisierten Produkten – Reflexionsmosaiken, Mineralkarten und Qualitätsberichten – die sie in ihre GIS-Systeme und Forschungspläne integrieren können. Ein solches Modell gewährleistet Transparenz, Reproduzierbarkeit und Überprüfbarkeit der Befunde, und da sie mit öffentlichen Geldern finanziert werden, tragen die Ergebnisse auch zum Gemeinwohl bei – vom Umweltschutz bis zur Ausbildung zukünftiger Experten.
Ökologie und gesellschaftlicher Kontext
Die Suche nach Mineralien kann nicht aus dem ökologischen und gesellschaftlichen Rahmen herausgelöst werden. Genau aus diesem Grund sucht GEMx gleichzeitig nach potenziellen Lagerstätten und verzeichnet Indikatoren für Umweltrisiken, wie die Ausbreitung saurer Drainage, Trockenheit der Vegetation, die die Brandgefahr erhöht, oder Veränderungen in der für Wasserressourcen wichtigen Schneedecke. Dasselbe Werkzeug, das hilft, Ressourcen zu identifizieren, kann bei verantwortungsvoller Interpretation auch bei deren nachhaltiger Ausbeutung helfen. Für Gemeinschaften, die in der Nähe alter Bergwerke leben, bedeutet dies eine frühere Warnung vor möglichen Problemen, klarere Informationen in Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung und qualitativ bessere Verhandlungen über die Sanierung oder Revitalisierung des Raums.
Was kommt 2026
Da GEMx in die nächste Phase eintritt, wird eine weitere Integration der Luftdaten mit geologischen Karten, Geophysik und Feldprobenahmen erwartet, sowie eine zunehmende Nutzung automatisierter Algorithmen zur Erkennung spektraler Signaturen. Der Fokus der Flüge bleibt auf den trockenen Gebieten des amerikanischen Westens, wo das kahle Relief die beste spektrale Lesbarkeit ermöglicht. Perspektivisch können dieselben Verfahren auch auf andere Themen angewendet werden, wie die Überwachung der Bodendegradation oder die Erkennung von Verschmutzung, doch das Rückgrat bleibt missionsorientiert: die Suche nach mineralischen Rohstoffen, die für die Energiewende entscheidend sind, zu beschleunigen, zu fördern und transparenter zu machen, mit dem geringstmöglichen ökologischen Fußabdruck.