In der Physik kommt es gelegentlich vor, dass eine Idee, die Wissenschaftler längst für tot erklärt haben, plötzlich neues Leben eingehaucht bekommt. Genau das geschah mit einer Hypothese aus dem 19. Jahrhundert, als der schottische Physiker Lord Kelvin sich Atome als winzige Knoten in einem unendlichen „Äther“ vorstellte. Dieses Bild zerfiel schnell unter dem Ansturm der modernen Atomistik – doch heute, fast anderthalb Jahrhunderte später, kehrt die mathematische Idee der Knoten in einem völlig anderen Kontext auf die Bühne zurück: als möglicher Schlüssel zur Beantwortung der Frage, warum das Universum, wie wir es kennen, überhaupt existiert.
Eine neue theoretische Arbeit eines Teams japanischer Physiker zeigt, dass sich im frühen Universum auf natürliche Weise „kosmische Knoten“ – exotische, topologisch geschützte Strukturen in den Feldern, die Teilchen und Kräfte beschreiben – bilden können. Diese Knoten könnten, falls sie tatsächlich existierten, erklären, warum nach dem Urknall ein kleiner Überschuss an gewöhnlicher Materie im Verhältnis zur Antimaterie übrig blieb. Ohne diesen mikroskopischen Überschuss wäre das Universum heute nur mit Strahlung gefüllt und nicht mit Galaxien, Sternen und uns selbst.
Die Studie wurde in der angesehenen Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht und stammt aus einem internationalen Forschungsumfeld, das sich um die Universität Hiroshima versammelt hat. Die Physiker verbinden in dieser Arbeit mehrere der größten Rätsel der modernen Kosmologie – den Ursprung des Materieüberschusses, die Dunkle Materie, die Massen von Neutrinoteilchen und das sogenannte starke CP-Problem – in einem einzigen gemeinsamen Rahmen, der auf der Idee von Knoten in Feldern basiert.
Lord Kelvin, der Äther und Knoten: Vom gescheiterten Atombild zur modernen Kosmologie
Als Lord Kelvin 1867 vorschlug, Atome seien stabile Knoten in einem hypothetischen Äther, kannte die Physik weder das Elektron, noch das Proton, noch die Quantenmechanik. Sie suchte Zuflucht in kontinuierlichen Medien und geometrischen Bildern. Da Experimente zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigten, dass der Äther nicht existiert, und sich die Atomstruktur auf Kerne und Elektronen reduzierte, wurde Kelvin schnell von allen als Beispiel für ein schönes, aber falsches Konzept zitiert.
Dennoch entwickelte sich die mathematische Knotentheorie selbst – die Art und Weise, wie geschlossene Schleifen sich verheddern, verflechten und verformen können, ohne zu reißen – in der reinen Mathematik und später in der Festkörperphysik und sogar in den Feldbeschreibungen der Teilchenphysik weiter. In der Topologie, einem Zweig der Mathematik, der Eigenschaften untersucht, die nicht verschwinden, wenn man ein Objekt dehnt oder verdreht, stellen Knoten besonders stabile Konfigurationen dar: Um sie aufzulösen, muss man den Faden durchschneiden.
In der neuen Arbeit des japanischen Teams kehrt diese alte topologische Idee nicht in Form von verknoteten Atomen zurück, sondern als Knoten in den unsichtbaren Feldern, die das Universum nach dem Urknall durchdringen. Diese Knoten sind keine Objekte, die wir jemals mit einem Teleskop „sehen“ könnten, wie ein Seil oder ein Kabel, sondern abstrakte Konfigurationen in den Gleichungen, die fundamentale Kräfte und Teilchen beschreiben. Ihre Anwesenheit könnte jedoch sehr reale Spuren in der Struktur des Universums hinterlassen.
Das Problem der fehlenden Antimaterie und die Baryogenese
Nach dem Standard-Urknall-Szenario hätte das Universum ganz am Anfang nahezu gleiche Mengen an Materie und Antimaterie erzeugen sollen. Jedes Teilchen hat sein Antiteilchen-Pendant – das Elektron sein Positron, das Proton sein Antiproton. Wenn sie aufeinandertreffen, vernichten sie sich gegenseitig und verwandeln sich in reine Strahlung. Wenn das anfängliche Verhältnis tatsächlich eins zu eins war, wäre natürlich zu erwarten, dass nach kurzer Zeit der gesamte Inhalt des Universums in einem Gammastrahlblitz verschwunden wäre.
Stattdessen zeigen Beobachtungen, dass das sichtbare Universum fast vollständig aus Materie aufgebaut ist, während Antimaterie extrem selten ist. Theoretische Berechnungen besagen, dass auf jede Milliarde Teilchen-Antiteilchen-Paare nur ein „überschüssiges“ Stück Materie überlebt hat. Genau dieser winzige Überschuss ermöglichte die Entstehung von Atomen, Sternen, Galaxien und des Lebens. Der Prozess, der diesen Überschuss erzeugte, wird Baryogenese genannt, aber sein genauer Mechanismus bleibt eine der tiefsten offenen Fragen der Kosmologie.
Das Standardmodell der Teilchenphysik – der theoretische Rahmen, der brillant fast alle bekannten Teilchen und Kräfte außer der Gravitation beschreibt – kann eine so große Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie nicht erklären. Es sind zusätzliche Zutaten erforderlich, neue Symmetrien und Teilchen, die über das hinausgehen, was bereits in Beschleunigerexperimenten entdeckt wurde. Das neue Modell der kosmischen Knoten versucht, genau hier anzusetzen, indem es eine natürliche Möglichkeit bietet, den Materieüberschuss zu erzeugen, ohne zu viele Ad-hoc-Elemente einzuführen.
Das Hiroshima-Team und das Institut für „Knoten“-Zustände der Materie
Die Forschung wird von Physikern unterzeichnet, die sich um das Internationale Institut für Nachhaltigkeit mit verschränkter chiraler Metamaterie (WPI-SKCM²) an der Universität Hiroshima versammelt haben, zusammen mit Mitarbeitern der Keio-Universität in Japan und des deutschen Labors Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY). Es handelt sich um ein interdisziplinäres Zentrum, das sich mit Phänomenen befasst, bei denen „Knoten“ und verwandte topologische Strukturen in verschiedenen Bereichen eine Rolle spielen – von einer neuen Generation von Materialien bis hin zur fundamentalen Physik.
Die Autoren der Studie kombinieren Wissen aus theoretischer Teilchenphysik, Kosmologie und mathematischer Topologie. In der Arbeit zeigen sie, dass in einer realistischen Erweiterung des Standardmodells, wie sie üblicherweise für Neutrinomassen und Dunkle Materie untersucht wird, spontan topologische Knoten in den Feldern entstehen. Diese Knoten, die sie Knoten-Solitonen nennen, sind nicht nur eine exotische mathematische Kuriosität, sondern können eine Schlüsselrolle in der Baryogenese spielen.
Zwei alte Symmetrien in neuer Kombination: B–L und Peccei–Quinn
Das Herzstück des neuen Modells bilden zwei Symmetrien, die Physiker seit Jahrzehnten untersuchen, die aber bisher niemand systematisch zu einem einheitlichen Szenario für das frühe Universum zusammengeführt hat. Die erste ist die sogenannte B–L-Symmetrie, die sich auf die Differenz zwischen der Anzahl der Baryonen (Teilchen wie Protonen und Neutronen) und der Leptonen (wie Elektronen und Neutrinoteilchen) bezieht. In dieser Theorie ist B–L nicht nur eine praktische Buchhaltungsgröße, sondern eine Eichsymmetrie (engl. gauge symmetry), was bedeutet, dass sie eine neue Kraft mit entsprechenden Interaktions-„Trägern“ erfordert.
Die zweite Schlüsselkomponente ist die Peccei–Quinn-Symmetrie (PQ), die eingeführt wurde, um das sogenannte starke CP-Problem zu lösen. Dieses Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass die Theorie der starken Kernkraft im Prinzip eine kleine Verletzung der Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie zulassen sollte, aber Experimente seit Jahrzehnten keinen solchen Effekt in den Eigenschaften des Neutrons finden. Die Peccei–Quinn-Symmetrie eliminiert diesen unerwünschten Term elegant und führt als Nebenprodukt ein neues hypothetisches Teilchen ein – das Axion – einen der Hauptkandidaten für die Dunkle Materie.
Allein die Tatsache, dass die PQ-Symmetrie das starke CP-Problem löst und einen Kandidaten für die Dunkle Materie liefert, macht sie äußerst attraktiv. Die Autoren der neuen Arbeit beschlossen jedoch, sie mit der B–L-Symmetrie zu „paaren“. Dabei wählen sie sorgfältig, dass PQ eine globale Symmetrie bleibt (d. h. keine neue Kraft wird), um das feine Gleichgewicht zu wahren, das erforderlich ist, damit das Axion seine gewünschten Eigenschaften behält. B–L hingegen wird als lokale (Eich-)Symmetrie eingeführt, was auf natürliche Weise zur Existenz schwerer rechtshändiger Neutrinos führt – Teilchen, die ohnehin in den meisten Baryogenese-Szenarien gefordert werden.
Von kosmischen Strings zu Knoten im Feld
Im sehr frühen Universum, unmittelbar nach dem Urknall, waren die Temperaturen so hoch, dass sich Kräfte und Teilchen anders verhielten als heute. Als sich das Universum ausdehnte und abkühlte, durchlief es eine Reihe von Phasenübergängen – plötzliche Zustandsänderungen der Felder, ähnlich dem Gefrieren von Wasser zu Eis, aber auf der Ebene fundamentaler Kräfte. Diese Phasenübergänge könnten „Narben“ in der Struktur des Raumes hinterlassen haben, bekannt als topologische Defekte.
Eine Art solcher Defekte sind kosmische Strings – extrem dünne, aber massive „Risse“ in den Feldern, die sich wie gespannte Fäden durch das Universum ziehen. Obwohl sie noch hypothetisch sind, treten kosmische Strings häufig in Theorien der Großen Vereinigung und anderen Erweiterungen des Standardmodells auf. In der neuen Arbeit erzeugt der Bruch der B–L-Symmetrie magnetische Flussröhren (Strings), während die PQ-Symmetrie Wirbelstrukturen hervorbringt, die supraleitenden Wirbeln ähneln.
Die Schlüsselidee ist, dass sich diese beiden Arten von Defekten zu einer stabileren Konfiguration „verriegeln“ können. Der B–L-String trägt einen magnetischen Fluss, während der PQ-Wirbel keinen eigenen Fluss hat, aber über die sogenannte Chern–Simons-Kopplung Ladung in die magnetische Röhre „pumpen“ kann. Auf diese Weise wird die Spannung, die den String-Ring sonst zerschneiden würde, durch die zusätzliche Energie der verbundenen Struktur ausgeglichen, und die gesamte Kombination wird zu einem metastabilen Knoten – einem topologischen Soliton, das nicht einfach zu einer flachen Konfiguration gedehnt werden kann.
Solche Knoten sind nicht nur eine mathematische Zeichnung auf einer Tafel. Ihre Masse und Energie können auf der Skala des frühen Universums enorm sein, und aufgrund des topologischen Schutzes können sie lange genug leben, um die Dynamik der Ausdehnung des Universums zu beeinflussen. Genau diese Langlebigkeit eröffnet Raum für ein Szenario, in dem Knoten vorübergehend die Gesamtdichte der Energie des Universums dominieren.
Die „Knoten-dominierte Ära“ – Eine Periode, in der Knoten das Universum beherrschten
Die Autoren führen den Begriff „Knoten-dominierte Ära“ ein, eine kurze Periode nach dem Urknall, in der die in den Knoten gespeicherte Energie die Energie der Strahlung und der gewöhnlichen Materie übersteigt. Während Photonen verdünnt werden und Energie verlieren, wenn das Universum wächst, verhalten sich Knoten eher wie kalte Materie: Ihre Dichte nimmt langsamer ab, so dass sie zur dominanten Komponente des gesamten Energiebudgets werden können.
Aber diese Dominanz dauert nicht ewig. Obwohl topologisch geschützt, können Knoten durch Quantentunneln zerfallen – ein Prozess, bei dem ein System eine Energiebarriere überwindet, die ihm klassisch nicht zugänglich wäre. Durch das Tunneln kann sich der Knoten „auflösen“ und seine Energie in Form von Teilchen freisetzen. In diesem Modell ist es genau dieser Kollaps, der die Kette von Ereignissen auslöst, die den Materieüberschuss erzeugen.
Wenn der Knoten zerfällt, setzt er eine große Anzahl schwerer rechtshändiger Neutrinos, Skalare und neuer Bosonen frei, die mit der B–L-Symmetrie verbunden sind. Diese schweren Neutrinos zerfallen dann in leichtere Teilchen mit einer leichten Bevorzugung von Materie gegenüber Antimaterie. Diese kleine, aber systematische „Neigung“ reicht aus, um die anfängliche Asymmetrie zu erzeugen. Im nächsten Schritt wandeln bekannte elektroschwache Prozesse im heißen Universum diese Asymmetrie in einen dauerhaften Überschuss an Baryonen um – den Protonen und Neutronen, aus denen wir aufgebaut sind.
Durch die Berechnung, wie effizient die Knoten bei der Erzeugung dieser schweren Neutrinos sind, welche Masse diese Teilchen haben und wie sie das Universum beim Zerfall aufheizen, zeigen die Autoren, dass das Modell auf natürliche Weise zu einer Wiedererhitzungstemperatur von etwa 100 Giga-Elektronenvolt (GeV) führt. Interessanterweise schließt sich genau um diese Energieskala das Fenster für Prozesse, die die leptonische Asymmetrie in baryonische Asymmetrie umwandeln können. Mit anderen Worten, das Modell „trifft“ einen physikalisch sinnvollen Moment in der Geschichte des Universums, in dem sich die Asymmetrie verfestigen musste, wenn sie bis heute überleben sollte.
Potenzielles Gravitationswellen-Signal von Knoten
Einer der größten Vorteile des Modells der kosmischen Knoten ist, dass es eine konkrete, physikalisch messbare Spur bietet, nach der zukünftige Experimente suchen könnten: einen Hintergrund von Gravitationswellen. Es wird erwartet, dass Knoten und die String-Netzwerke, die sie bilden, während ihrer Lebensdauer Gravitationswellen – Wellen in der Struktur der Raumzeit selbst – emittieren, jedes Mal, wenn die verhedderten Fäden zucken, sich verbinden oder zerfallen.
Ein solches Signal würde nicht wie der kurze Blitz aussehen, den Detektoren heute gelegentlich bei der Kollision Schwarzer Löcher aufzeichnen. Stattdessen wäre es ein kontinuierlicher „Geräuschhintergrund“ – ein Rauschen von Gravitationswellen unterschiedlicher Frequenzen, dessen Spektrum sich von anderen theoretischen Modellen des frühen Universums unterscheiden könnte. Nach Berechnungen der Autoren könnte die Dominanz der Knoten und ihr Zerfall das Gravitationsspektrum zu höheren Frequenzen hin verschieben, in den Bereich, in dem zukünftige Missionen die beste Empfindlichkeit haben werden.
Die Europäische Weltraumorganisation plant die Mission LISA (Laser Interferometer Space Antenna), ein Weltrauminterferometer, das für Gravitationswellen mittlerer Frequenzen empfindlich ist, während in den USA und Japan die Projekte Cosmic Explorer und DECIGO in Vorbereitung sind. Wenn diese Detektoren in den kommenden Jahrzehnten einen Gravitationswellenhintergrund aufzeichnen, der der vorhergesagten „Signatur“ der Knoten entspricht, wäre dies ein starkes – wenn auch nicht unbedingt endgültiges – Argument zugunsten dieses Szenarios.
Ein weiterer Vorteil ist, dass das Modell nicht isoliert steht: Derselbe Rahmen sagt das Axion als Kandidaten für die Dunkle Materie und schwere rechtshändige Neutrinos voraus, die an der Entstehung des Materieüberschusses beteiligt sind. Axion- und Neutrino-Forschung sind bereits eigenständige experimentelle Felder. Wenn in Labors und kosmischen Beobachtungen parallel Spuren des Axions, spezifischer Eigenschaften von Neutrinoteilchen und des entsprechenden Gravitationshintergrunds auftauchen, könnte sich das Mosaik zu einem kohärenten Bild zusammenfügen.
Was die neue Theorie für unser Bild des Universums bedeutet
Es ist wichtig zu betonen, dass es sich um ein rein theoretisches Modell handelt. Niemand hat bisher einen kosmischen Knoten „gesehen“, noch gibt es ein Experiment, das ihn direkt aufzeichnen könnte. Forscher arbeiten mit Feldgleichungen, Symmetrien und topologischen Argumenten und bauen ein Szenario auf, das mathematisch konsistent und mit bekannten physikalischen Einschränkungen im Einklang ist. Ihre Arbeit zeigt, dass solche Knoten durch das bestehende Wissen nicht verboten sind und dass sie auf natürliche Weise im Rahmen einer realistischen Erweiterung des Standardmodells entstehen können.
Für die Teilchenphysik ist das Szenario interessant, weil es mehrere Probleme in einem Paket bündelt, anstatt für jedes eine separate Lösung einzuführen. Die B–L-Symmetrie führt schwere Neutrinoteilchen ein, die ohnehin benötigt werden, um die Massen gewöhnlicher Neutrinos zu erklären. Die Peccei–Quinn-Symmetrie löst das starke CP-Problem und öffnet die Tür für das Axion als Kandidaten für die Dunkle Materie. Kosmische Knoten entstehen als Folge genau dieser Symmetrien und kümmern sich dabei um die Baryogenese, d. h. den Materieüberschuss. Dies verleiht der Theorie ein Maß an „Ökonomie“, das Physiker schätzen.
Für die Kosmologie präsentiert das Modell eine weitere mögliche Geschichte darüber, was in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall geschah. In den letzten Jahrzehnten wurden Dutzende verschiedener Baryogenese-Mechanismen vorgeschlagen, von der Leptogenese über Phasenübergänge bis hin zu exotischen kurzlebigen Teilchen. Viele von ihnen sind schwer testbar, eben weil sie bei Energien und Zeiten stattfinden, die wir nicht direkt erreichen können. Kosmische Knoten zeichnen sich dadurch aus, dass ihr „Echo“ in Gravitationswellen für zukünftige Beobachtungen erreichbar sein könnte.
Natürlich könnte das gleiche Gravitationshintergrund-„Gesang“ auch durch ein anderes Modell erklärt werden – zum Beispiel ein Netzwerk gewöhnlicher kosmischer Strings, die bei der Großen Vereinigung entstanden sind, oder andere exotische Prozesse im frühen Universum. Selbst wenn zukünftige Beobachtungen ein Signal zeigen, wird eine ganze Reihe zusätzlicher Tests und Vergleiche erforderlich sein, um den Raum möglicher Erklärungen einzugrenzen. Aber die Tatsache, dass die neue Theorie überhaupt falsifizierbar ist, d. h. dass sie klare Vorhersagen liefert, macht sie zu einem ernsthaften Kandidaten im Spiel.
Die Autoren der Arbeit betonen, dass der nächste Schritt die präzisere Modellierung der Bildung und des Zerfalls von Knoten sowie eine detaillierte Simulation ihrer Gravitationswellen-„Partitur“ ist. Es muss untersucht werden, für welche Werte der Parameter – Teilchenmassen, Kopplungsstärken und Phasenübergangszeiten – Knoten oft genug entstehen und lange genug leben, um tatsächlich einen beobachtbaren Effekt zu haben. Erst dann wird es möglich sein, parallel zu analysieren, was von zukünftigen Detektoren und anderen Experimenten erwartet wird.
Topologie als Faden, der das Mikro- und Makro-Universum verbindet
Der vielleicht interessanteste philosophische Aspekt dieser Geschichte ist, dass sie die Kraft der Topologie für das Verständnis der Natur erneut hervorhebt. Kelvin vermutete im 19. Jahrhundert intuitiv, dass Knoten eine Rolle in der Struktur der Materie spielen könnten, obwohl er nicht über die richtigen mathematischen oder experimentellen Werkzeuge verfügte, um dies zu beweisen. Heute, da Feldphysik und numerische Simulationen die Beschreibung extrem komplexer Konfigurationen ermöglichen, erhält die alte Idee eine neue, viel ausgefeiltere Form.
Knoten im Feld – topologische Solitonen – tauchen in verschiedenen Zweigen der Physik auf, beispielsweise in magnetischen Materialien, Suprafluiden und Quantenflüssigkeiten. Wenn sich bestätigt, dass ähnliche Strukturen auch in der frühen Kosmologie eine Rolle spielten, würde dies bedeuten, dass dieselben mathematischen Prinzipien die Phänomenologie auf völlig unterschiedlichen Skalen verbinden: von Labormaterialproben bis hin zum gesamten Universum. Eine solche „Universalität“ topologischer Ideen ist einer der Gründe, warum ihnen immer mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Vorerst bleiben kosmische Knoten ein elegantes, aber noch unbewiesenes Szenario. Doch allein die Möglichkeit, dass das Problem der „fehlenden“ Antimaterie durch das Recycling einer der ungewöhnlichsten Ideen des 19. Jahrhunderts gelöst werden kann, erinnert daran, wie nichtlinear die Wissenschaft manchmal ist. Ideen, die eines Tages für immer aufgegeben erscheinen, können in einem völlig anderen Kontext und mit viel reicherem Apparat als ernsthafte Kandidaten zur Erklärung der tiefsten Rätsel des Universums zurückkehren.
Unterkünfte in der Nähe finden
Erstellungszeitpunkt: 07 Dezember, 2025