Lungenkrebs, lange Zeit als eine Krankheit angesehen, die fast ausschließlich Raucher betrifft, verändert zunehmend sein Gesicht. Weltweit beobachten Gesundheitsexperten mit wachsender Besorgnis einen beunruhigenden Trend: einen Anstieg der Lungenkrebsfälle bei Menschen, die nie geraucht haben. Diese Form der Krankheit betrifft überproportional Frauen, insbesondere solche asiatischer Herkunft, und weist eine höhere Prävalenz in ostasiatischen Nationen im Vergleich zur westlichen Welt auf. Während sich der Fokus des öffentlichen Gesundheitswesens jahrzehntelang auf die Bekämpfung des Tabakkonsums konzentrierte, wurde deutlich, dass andere Umweltfaktoren eine entscheidende, aber unzureichend geklärte Rolle spielen. Jüngste wissenschaftliche Entdeckungen werfen endlich neues Licht auf diese komplexe Problematik und liefern die ersten konkreten genomischen Beweise, die die Luftverschmutzung mit der Entwicklung dieser bösartigen Krankheit bei Nichtrauchern in Verbindung bringen.
Genomische Untersuchung enthüllt einen versteckten Schuldigen
Eine revolutionäre Studie, die letzte Woche in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, liefert die bisher überzeugendsten Beweise dafür, dass Luftverschmutzung und andere Umwelteinflüsse die Hauptursachen für Lungenkrebs bei Nichtrauchern sind. Die Forschung, die gemeinsam von Wissenschaftlern der University of California, San Diego (UC San Diego) und dem National Cancer Institute (NCI), einem Teil der U.S. National Institutes of Health (NIH), durchgeführt wurde, stellt einen Wendepunkt im Verständnis dieser Krankheit dar. Bisherige Studien deuteten hauptsächlich auf einen epidemiologischen Zusammenhang hin, doch diese Untersuchung geht einen Schritt weiter und dringt tief in das Genom des Tumors ein, um die molekularen Mechanismen aufzudecken, durch die Umweltfaktoren die DNA schädigen und die Krebsentwicklung fördern.
Dr. Ludmil Alexandrov, Professor für Bioingenieurwesen sowie Zell- und Molekularmedizin an der UC San Diego und einer der Studienleiter, betont die Bedeutung dieser Entdeckung. "Wir stehen vor einem problematischen Trend des zunehmenden Lungenkrebses bei Nichtrauchern, und bisher haben wir nicht vollständig verstanden, warum. Unsere Forschung zeigt, dass Luftverschmutzung stark mit denselben Arten von DNA-Mutationen verbunden ist, die wir typischerweise mit dem Rauchen in Verbindung bringen", betonte Alexandrov. Seine Kollegin, Dr. Maria Teresa Landi, eine Epidemiologin am NCI, fügt hinzu: "Dies ist ein dringendes und wachsendes globales Problem. Die meisten früheren Studien haben die Daten von Rauchern und Nichtrauchern nicht getrennt, was den Einblick in die potenziellen Ursachen bei diesen Patienten einschränkte. Wir haben die Studie so konzipiert, dass wir Daten von Nichtrauchern weltweit sammeln und die Genomik nutzen, um nach Spuren von Expositionen zu suchen, die diese Krebserkrankungen verursachen könnten."
Molekulare Fingerabdrücke in unseren Zellen
Das Wissenschaftlerteam analysierte Lungentumoren von 871 Nichtrauchern, die in 28 verschiedenen Regionen in Afrika, Asien, Europa und Nordamerika leben und Gebiete mit unterschiedlichen Graden der Luftverschmutzung abdecken. Mithilfe einer fortschrittlichen Technik zur Sequenzierung des gesamten Genoms identifizierten die Forscher spezifische Muster von DNA-Mutationen, die als Mutationssignaturen bekannt sind. Diese Signaturen wirken wie molekulare Fingerabdrücke und hinterlassen eine dauerhafte Aufzeichnung vergangener Expositionen, die das genetische Material der Zelle geschädigt haben. Durch die Kombination von Genomdaten mit Schätzungen der Umweltverschmutzung, die auf Satelliten- und bodengestützten Messungen von Feinstaubpartikeln (PM2,5) basieren, konnten sie die langfristige Exposition von Einzelpersonen gegenüber verschmutzter Luft abschätzen.
Die Ergebnisse waren eindeutig. Nichtraucher, die in stärker verschmutzten Umgebungen lebten, wiesen eine signifikant höhere Anzahl von Mutationen in ihren Lungentumoren auf. Besonders ausgeprägt waren sogenannte "Treiber"-Mutationen, die die Krebsentwicklung direkt fördern, sowie mit Krebs assoziierte Mutationssignaturen. Beispielsweise wurde bei diesen Personen ein 3,9-fach höherer Anstieg der Mutationssignatur, die normalerweise mit dem Tabakrauchen in Verbindung gebracht wird, und ein 76 % höherer Anstieg einer anderen, mit dem Altern verbundenen Signatur festgestellt. Marcos Díaz-Gay, einer der Autoren der Studie, erklärt, dass dies nicht bedeutet, dass die Verschmutzung eine einzigartige "Luftverschmutzungssignatur" erzeugt, sondern dass sie die Gesamtzahl der Mutationen erhöht, insbesondere innerhalb bekannter DNA-Schadenswege. "Was wir sehen, ist, dass die Luftverschmutzung mit einer Zunahme somatischer Mutationen verbunden ist, einschließlich solcher, die unter bekannte Mutationssignaturen fallen, die dem Rauchen und dem Altern zugeschrieben werden", sagt Díaz-Gay.
Die Forscher beobachteten auch eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung: Je stärker eine Person der Verschmutzung ausgesetzt war, desto mehr Mutationen wurden in den Lungentumoren gefunden. Zusätzlich hatten diese Tumoren kürzere Telomere, die Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, was ein klares Zeichen für eine beschleunigte Zellalterung ist.
Überraschende Ergebnisse: Die Rolle des Passivrauchens und pflanzlicher Arzneimittel
Im Gegensatz zur starken Verbindung mit der Luftverschmutzung fanden die Forscher keine starke genetische Korrelation mit dem Passivrauchen. Lungentumoren von Nichtrauchern, die dem Passivrauchen ausgesetzt waren, zeigten nur einen leichten Anstieg der Mutationen sowie kürzere Telomere, jedoch ohne spezifische Mutationssignaturen oder "Treiber"-Mutationen. Obwohl die Exposition gegenüber Passivrauchen ein bekannter Risikofaktor für Krebs ist, war seine mutagene Wirkung weitaus geringer ausgeprägt als die bei der Luftverschmutzung beobachtete. Die Wissenschaftler vermuten, dass die mutagene Wirkung des Passivrauchens möglicherweise zu schwach ist, um mit den derzeitigen Werkzeugen nachgewiesen zu werden, obwohl seine biologischen Auswirkungen in der signifikanten Verkürzung der Telomere sichtbar sind.
Neben der Luftverschmutzung identifizierte die Studie ein weiteres Umweltrisiko: die Aristolochiasäure, ein starkes Karzinogen, das in bestimmten traditionellen chinesischen pflanzlichen Arzneimitteln vorkommt. Eine spezifische, mit dieser Säure verbundene Mutationssignatur wurde fast ausschließlich in Fällen von Lungenkrebs bei Nichtrauchern aus Taiwan gefunden. Obwohl die Aristolochiasäure bisher aufgrund der Einnahme mit Blasen-, Verdauungstrakt-, Nieren- und Leberkrebs in Verbindung gebracht wurde, ist dies die erste Studie, die Belege dafür liefert, dass sie auch zu Lungenkrebs beitragen könnte. Die Forscher vermuten, dass dies durch das Einatmen von Dämpfen traditioneller pflanzlicher Zubereitungen geschehen könnte, aber zur Bestätigung dieser Hypothese sind weitere Untersuchungen erforderlich. "Dies wirft eine neue Besorgnis darüber auf, wie traditionelle Arzneimittel unbeabsichtigt das Krebsrisiko erhöhen können, stellt aber gleichzeitig eine Gelegenheit zur Prävention dar, insbesondere in Asien", kommentierte Dr. Landi.
Das Geheimnis der neuen Signatur und die Zukunft der Forschung
In einer weiteren faszinierenden Entdeckung identifizierte das Team eine völlig neue Mutationssignatur, die in den Lungentumoren der meisten Nichtraucher auftritt, bei Rauchern jedoch fehlt. Ihre Ursache bleibt unbekannt – sie korrelierte weder mit der Luftverschmutzung noch mit einer anderen bekannten Umweltexposition. "Wir sehen sie in den meisten Fällen in dieser Studie, aber wir wissen noch nicht, was sie auslöst", sagte Alexandrov. "Das ist etwas völlig anderes und eröffnet ein ganz neues Forschungsgebiet."
Mit Blick auf die Zukunft planen die Forscher, ihre Studie zu erweitern, um Lungenkrebsfälle bei Nichtrauchern aus Lateinamerika, dem Nahen Osten und weiteren Regionen Afrikas einzubeziehen. Sie richten ihre Aufmerksamkeit auch auf andere potenzielle Risiken. Ein Schwerpunkt ist der Konsum von Marihuana und E-Zigaretten, insbesondere bei jüngeren Menschen, die nie Tabak geraucht haben, um zu untersuchen, ob auch diese Expositionen zu Mutationsveränderungen im Lungengewebe beitragen. Ihr Ziel ist es, auch andere Umweltrisiken wie Radon und Asbest zu untersuchen und detailliertere Daten zur Verschmutzung auf lokaler und individueller Ebene zu sammeln, um ein noch vollständigeres Bild von den Ursachen dieser immer häufiger werdenden Krankheit zu erstellen.
Quelle: University of California
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Erstellungszeitpunkt: 09 Juli, 2025