In einem technologischen Umfeld, in dem der Klimawandel immer deutlicher wird, gewinnen Erdbeobachtungsmissionen zunehmend an Bedeutung. In diesem Kontext tritt das neueste Projekt der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) – die Mission HydroGNSS – rapide in die Endphase vor dem Start ein. Derzeit befinden sie sich in Kalifornien, bereit für die letzten Prozeduren vor dem Start in die Umlaufbahn.
Was ist HydroGNSS und warum ist es wichtig
Die Mission HydroGNSS (Hydrological GNSS Reflectometry) ist Teil des FutureEO-Programms der ESA, innerhalb dessen die Kategorie der „Scout“-Missionen definiert ist – schnelle, agile und relativ kostengünstige Satellitenkampagnen, deren Ziel es ist, neue Methoden und Technologien zur Erdbeobachtung zu demonstrieren. Scout-Missionen sind darauf ausgelegt, in kurzer Zeit (etwa drei Jahre) wissenschaftliche Ergebnisse bei begrenztem Budget zu liefern.
Der Start von HydroGNSS ist für Ende 2025 geplant, mit dem Ziel, Daten aus bestehenden Missionen wie der SMOS-Mission der ESA oder der bevorstehenden Biomass-Mission zu ergänzen und zu verknüpfen.
Technischer Rahmen: zwei Mikrosatelliten und GNSS-Reflektometrie
Im Gegensatz zu klassischen Satelliteninstrumenten verwendet HydroGNSS eine Methode, die als GNSS-Reflektometrie (GNSS-R) bekannt ist. Diese Technik nutzt Navigationssignale, die globale Satellitennavigationssysteme (wie Galileo und GPS) zur Erde senden – aber sie empfängt nicht nur die direkten Signale, sondern auch jene, die von der Erdoberfläche reflektiert werden. Durch die Analyse der Unterschiede zwischen dem direkten und dem reflektierten Signal lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die Eigenschaften von Boden, Vegetation, Gewässern, Eis und Biomasse ziehen.
HydroGNSS wird zwei identische Mikrosatelliten verwenden, die in einer Höhe von ca. 500–600 km in der Umlaufbahn stationiert sind und um 180° voneinander versetzt sind, um die zeitliche Häufigkeit der Datenwiederholungen zu verbessern. Jeder Satellit wiegt etwa 65 kg und hat Abmessungen von etwa 50 × 50 × 70 cm.
Das Funktionsprinzip ist wie folgt: GNSS-Navigationssatelliten senden kontinuierlich Mikrowellensignale im L-Band zur Erdoberfläche. Ein Teil dieser Signale erreicht den Empfänger des Satelliten direkt, während ein anderer Teil von der Erdoberfläche reflektiert und später als reflektiertes Signal empfangen wird. Änderungen im reflektierten Signal (in Phase, Stärke, Polarisation) tragen Informationen über die physikalischen Eigenschaften der Oberfläche – Bodenfeuchtigkeit, Vegetation, Wasserflächen, Gefrier-/Auftaustatus und oberirdische Biomasse.
Ziel-Klimavariablen und wissenschaftliche Anwendung
Die Hauptaufgabe der HydroGNSS-Mission ist die Messung mehrerer Schlüsselvariablen, die zu den sogenannten Essential Climate Variables (ECV) gehören, wie sie vom Global Climate Observing System (GCOS) definiert werden. Dies sind:
- Bodenfeuchtigkeit (soil moisture)
- Überflutete Gebiete und Feuchtgebiete (inundation / wetlands)
- Gefrier-/Auftaustatus (freeze/thaw) – insbesondere über Permafrost
- Oberirdische Biomasse (above-ground biomass)
Zusätzlich wird die Mission als sekundäre Produkte die Windgeschwindigkeit über den Ozeanen und die räumliche Ausdehnung des Meereises überwachen.
Daten zur Bodenfeuchtigkeit aus dem Weltraum sind äußerst wichtig für die Meteorologie, die Vorhersage von Überschwemmungen und Dürren, das Wassermanagement, die Landwirtschaft, die Modellierung des Klimawandels sowie für die Überwachung von Permafrost und des Vegetationszustands. Biomasse misst, wie viel organische Substanz sich über dem Boden befindet – ein Schlüsselparameter zum Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs, zur Überwachung der Waldressourcen sowie zur Bewertung des Waldbrandrisikos.
Aktueller Status: Genehmigung, Tests, Flugtauglichkeit
Bis September 2025 hat die HydroGNSS-Mission einen wichtigen Meilenstein erreicht – die Flight Acceptance Review (FAR). Diese abschließende Testreihe bestätigt, dass die Satelliten für den Transport zum Startplatz und für den Start bereit sind und alle technischen, sicherheitstechnischen und missionsbezogenen Anforderungen erfüllen. Derzeit befindet sie sich in den Einrichtungen von Surrey Satellite Technology Ltd (SSTL) im Vereinigten Königreich, wo Reinräume und Endkontrollen durchgeführt wurden.
Nach neuesten Informationen ist geplant, die Satelliten nach Kalifornien zu transportieren, um sie auf der Startrampe zu platzieren. Der Start wird im vierten Quartal 2025 mit einer Falcon-9-Rakete erwartet.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Mission ursprünglich mit nur einem Satelliten geplant war, aber während der Entwicklung wurde entschieden, zwei identische Satelliten zu bauen, um die Abdeckungshäufigkeit und die wissenschaftliche Effizienz zu erhöhen. Die Idee ist, dass eine Doppelkonstellation die Zeit zwischen wiederholten Messungen desselben Ortes fast halbiert.
Konzepte für schnelle (agile) Missionen und die Rolle des Scout-Programms
Scout-Missionen wie HydroGNSS sind als komplementäres Segment zu traditionellen Forschungsmissionen (z. B. Earth Explorer) konzipiert. Sie streben danach, Innovation und Flexibilität durch kleinere Satelliten, geringere Kosten (< ~ 35 Mio. €) und einen kürzeren Entwicklungszyklus (~3 Jahre) einzubringen.
Im Kontext des Erdbeobachtungsprogramms der ESA dienen Scout-Missionen dazu, neue Techniken – wie die GNSS-Reflektometrie – zu testen und deren praktischen Nutzen in der täglichen Satellitenbeobachtung zu untersuchen. HydroGNSS ist die erste von drei geplanten Scout-Missionen und legt damit den Grundstein für zukünftige Ansätze in der Klima- und Hydrologiebeobachtung.
Durch ihre Agilität und Innovation könnte die Mission den Weg für kostengünstige, replizierbare Satellitennetzwerke ebnen, die in Zukunft kontinuierliche Daten zur Überwachung von Klima, Wasser und Vegetation liefern könnten – ohne hohe Kosten und lange Entwicklungszeiten.
Technologische Herausforderungen und erwartete Auswirkungen
Obwohl die GNSS-Reflektometrie großes Potenzial hat, ist sie nicht ohne Herausforderungen. Zum Beispiel sind die Signale sehr schwach und es ist schwierig, sie vom Hintergrundrauschen zu unterscheiden. Es sind ausgefeilte Signalverarbeitungstechniken, Polarisationskorrekturen, mehrfrequente Messungen und Inversionsmodelle erforderlich, die Reflexionen direkt in physikalische Parameter (z. B. Bodenfeuchtigkeit) umwandeln.
Darüber hinaus wird die Mission für Biomasse-Daten versuchen, Vegetationskomponenten – Blätter, Äste und Stämme – anhand der Art und Weise zu unterscheiden, wie das Signal reflektiert wird und Energie durch die Vegetationsschichten verliert. Dies erfordert Modelle, die die strukturellen Merkmale des Waldes mit messbaren Signalen verknüpfen.
In der Endphase könnten die Ergebnisse der Mission die Erdsystemmodelle erheblich verbessern, da sie Daten mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung für Schlüsselvariablen der Hydrosphäre und Biosphäre liefern werden. In Gebieten, die für klimatische Extremereignisse – wie Dürren, Überschwemmungen, Änderungen der Wasserregime – anfällig sind, können solche Daten einen sehr hohen Wert für die Meldung und Prävention von Risiken aufweisen.
Darüber hinaus ist HydroGNSS ein Projektmodell der Nachhaltigkeit – entwickelt mit einem relativ geringen Budget, mit Satelliten geringer Masse und modularem Design, mit dem Ziel zu demonstrieren, dass wissenschaftlich wertvolle Missionen nicht ausschließlich auf große Raumfahrtprogramme angewiesen sein müssen.
Wo es dringend benötigte Daten liefern wird – in einer Zeit des Umbruchs
Einer der Hauptgründe für den Start der Mission gerade jetzt ist die Tatsache, dass komplementäre Missionen, die bisher Daten zur Bodenfeuchtigkeit geliefert haben, wie SMOS der ESA oder SMAP der NASA, langsam das Ende ihrer operativen Lebensdauer erreichen. HydroGNSS hat das Potenzial, ihre Rolle zu übernehmen und kontinuierliche Daten zu gewährleisten.
Zudem wird HydroGNSS die Biomasse-Daten im Vergleich zur Biomass-Mission verstärken, indem es Gebiete außerhalb des Arbeitsbereichs dieser Mission abdeckt und schnellere Wiederholungsmessungen sowie die Erkennung von Vegetationsänderungen ermöglicht.
Der Weg zum Start und was folgt
Nachdem die Satelliten die Flugtauglichkeitsprüfung (FAR) bestanden haben – die letzte Überprüfung ihrer Startbereitschaft – ist der nächste Schritt der Transport zum Startplatz in Kalifornien, die Integration auf der Rakete und die Startvorbereitungen.
Die Falcon-9-Rakete, die für den Start verwendet werden soll, hat bisher zahlreiche Missionen durchgeführt und gilt als zuverlässige Option, um Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen. Es ist geplant, dass die Satelliten zusammen als kleines Konstellationspaar starten.
Nach der Positionierung in der Umlaufbahn folgt eine Phase der Inbetriebnahme (`commissioning`), der Kalibrierung der Instrumente und des Testens der Systeme. Dann beginnen die täglichen operativen Messungen und die Datenübertragung zur Erde, wo anspruchsvolle Algorithmen die reflektierten Signale in nützliche geophysikalische Parameter umwandeln.
Die HydroGNSS-Mission ist – trotz ihres relativ "kleinen" Maßstabs – ein großer Fortschritt in der Entwicklung der Raumfahrttechnologie für klimatische und hydrographische Anwendungen. Wenn sie wie geplant umgesetzt wird, könnte sie zu einem Schlüsselelement eines globalen Netzwerks zur Überwachung der Bodenfeuchtigkeit, hydrologischer Zyklen und des Vegetationszustands werden – in einer Zeit, in der eine solche kontinuierliche Überwachung unerlässlich ist.
Erstellungszeitpunkt: 5 Stunden zuvor